1493 - Höllenschwur der Zwillinge
der gesamte rechte Arm. Sie sah, dass Mirja ihr bereits den linken Arm hinhielt.
»Schneide genau dort, wo ich bei dir angesetzt habe.«
»Ja.«
Es fielt ihr nicht leicht. Zuvor schaute sie ins Gesicht ihrer Schwester, das sie im Profil sah. Sie las keine Angst in den Zügen, nur eine gespannte Erwartung.
»Jetzt, Maureen!«
Die Bewegungen der jungen Frau folgten einem Automatismus.
Sie sorgte für den kreuzförmigen Schnitt in der Haut ihrer Schwester und hörte ihr hartes Stöhnen.
»Ja, endlich!« lautete Mirjas Kommentar. »Endlich ist es so weit. Alles ist perfekt. Das ist wunderbar. Es geht mir so gut dabei. Ich bin dem Ziel so nah…«
Mirjas angespannter Gesichtsausdruck verwandelte sich. Das Lächeln sah echt aus. Mirja spielte kein Theater. Sie hatte lange darauf hingearbeitet, so etwas zu erleben, und jetzt befanden sich beide Frauen auf dem Weg zu ihrer neuen Stärke.
Maureen ließ den Dolch fallen, was ihrer Schwester nicht passte, denn sie nahm die Waffe sofort wieder mit der rechten Hand an sich. Die linke reichte sie Maureen.
»Mein Blut, Schwester, mein Blut und dein Blut, es soll und wird uns noch stärker verbinden. Bitte, gib mir dein Blut, und ich werde dir meines geben. Lass es uns vermischen, denn erst dann werden wir eine große Einheit, die nichts mehr so leicht trennen kann.«
Mehr brauchte Mirja nicht zu erklären. Maureen wusste, wie sie sich zu verhalten hatte. Sie drehte ihren Arm so, dass sich die Wunde in Höhe der ihrer Schwester Befand. So konnten sie ihre Arme an den Schnittstellen aufeinander pressen und ihr Blut miteinander vermischen.
Mirja genoss es. Sie stöhnte dabei leise auf.
»Es ist so wunderbar«, flüsterte sie. »Ich liebe es. Ich mag es. Ich spürte deine Wärme und dein Leben in mir. Wir sind ein Paar, nichts kann uns mehr trennen, und wir werden jetzt damit anfangen, diesen Pakt zu besiegeln.«
»Wie meinst du das?«
»Es ist ganz einfach. Ich habe den magischen Kreis gezogen. Ich habe das Zeichen in sein Inneres gemalt, das für uns so wichtig ist.«
»Und was hat es zu bedeuten?«
»Nicht fragen, Maureen, handeln«, flüsterte Mirja und machte ihrer Schwester vor, was sie meinte.
Der Kreis war groß genug, um beiden Frauen Platz zu bieten. Sie konnten sich auf den Teppich legen und Arme und Beine ausstrecken, ohne dass sie ihn verließen, und genau das machte Mirja vor.
Maureen schaute sie an. Die Schwester lag auf dem Rücken. Die Wunde am Arm blutete noch, und der rote Lebenssaft lief träge am Arm hinab und tropfte auf den Boden.
»Na, willst du nicht?«
»Doch, schon«, sagte Maureen. »Aber mich stören unsere Wunden. Sie bluten noch immer. Sollen wir sie nicht verbinden?«
»Nein, das ist nicht nötig. Wir haben beide ein gutes Heilfleisch. Du musst dir keine Sorgen machen, denn es kommt noch etwas hinzu, meine Liebe. Ich sehe unser Blut als eine Opfergabe an. Bisher ist der Pakt nur zwischen uns geschlossen worden, aber es muss noch jemand erscheinen, der ihn besiegelt, denn wir haben alle Vorgaben erfüllt. Um ihn erscheinen zu lassen, ist es besser, wenn das Blut weiterhin rinnt und bestimmte Stellen auf dem Teppich benetzt. Deshalb leg dich wieder hin und warte ab.«
Maureen vertraute ihrer Schwester, obwohl sie am liebsten aufgestanden und weggerannt wäre. Das schaffte sie nicht mehr, sie steckte bereits zu tief drin und musste nun die Konsequenzen tragen.
Maureen spürte den zuckenden Schmerz an und in der Wunde. Es kam ihr vor, als würde dort eine Uhr ticken, die die leichten Schmerzstöße in bestimmten Intervallen losschickte.
»Wann passiert es?«
»Ich weiß es nicht, Maureen. Der Teufel lässt sich nicht herausfordern. Er tut, was er will. Aber ich hoffe, dass die Hölle und ihre Bewohner uns annehmen.«
»Wenn es denn sein muss…«
»Ja, Schwesterherz, es muss sein.«
Sie lagen da und warteten. Die Voraussetzungen waren geschaffen worden, und irgendwann würde sich die andere Seite melden, wenn denn alles so stimmte.
Maureen sprach kein Wort mehr. Sie lag bewegungslos auf dem Teppich. Eine gespannte Erwartung hatte sie erfasst. Sie hatte keine Ahnung davon, wie sich die Hölle melden würde, denn darüber hatte sie sich keine Gedanken gemacht. Das alles hatte ihre Schwester erledigt. Sie war bisher immer nur Zuschauerin gewesen, und genau das setzte sich jetzt fort.
Bis sie das leise Zischen hörte!
Maureen zuckte zusammen. Sie sah, dass auch ihre Schwester das Geräusch vernommen hatte, denn Mirja reagierte mit
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