1498 - Horrortrip des Sensenmannes
übermächtig. Bennett hielt den Kopf wie eine Trophäe fest. Er sah sich nicht in der Lage, den Schädel einfach wieder in den Beutel zu stecken.
Aber er stellte etwas anderes fest. Normalerweise hätte er bei diesem festen Griff auch die Haut eindrücken müssen. Hier war das nicht der Fall, und das machte ihn nachdenklich.
Der erste Schock war vorbei. Bennett gab den beiden Schädelseiten den nötigen Druck und erhielt die Bestätigung für seinen Verdacht.
Es gab keine Haut.
Er drückte noch mal.
Erneut spürte er nichts Weiches, und plötzlich hatte er die Lösung.
Der Kopf war künstlich!
Das letzte Wort raste ihm einige Male durch den Kopf und brachte die Erleichterung mit. Er konnte nicht mehr anders, er musste lachen, denn er wollte den Frust von seiner Seele weghaben. Im Knien beugte er sich zurück und ließ sein Gelächter in die Nacht hallen.
Wie hatte er sich täuschen lassen!
Ein künstlicher Schädel. Der Kopf der strengen Rektorin.
Der perfekte Schülerstreich, konnte man meinen. Wenn es da nicht noch etwas anderes gegeben hätte.
War der Sensenmann auch künstlich gewesen?
Diese Frage musste sich Bennett einfach stellen, und er fürchtete sich vor der Antwort.
Nein, der war echt gewesen! Es hatte ihn gegeben. Es hatte auch das Pferd gegeben und die verdammte Sense, die einem Menschen glatt den Kopf abtrennen konnte.
Diesen auch?
Es konnte sein, aber da war er sich nicht sicher. Und deshalb packte er den künstlichen Kopf wieder in den Beutel und zog ihn zu.
Noch immer kniend dachte er darüber nach, was er mit seiner Beute tun sollte. Er hätte den Beutel mit dem Kopf in den See schleudern können. Verbrennen und verstecken war auch eine Alternative.
Aber tief in seinem Innern machte sich ein Gedanke breit, dass beides nicht gut war. Nein, dieser Schädel hatte schon seine Bedeutung, und er musste ihn mit in die Schule nehmen.
Mabel Cramer sollte ihn sehen.
Schließlich war es ihr Kopf.
Jemand hatte es auf sie abgesehen. Nein, nicht nur jemand. Diese Person war mit dem verdammten Sensenmann in einen Zusammenhang zu bringen. So und nicht anders musste er denken.
Bennett stand auf. Er hob den Beutel an und warf einen letzten Blick über den See und auch an den Ufern entlang.
Er konnte nichts Verdächtiges entdecken. Kein Sensenmann zeichnete sich als Schattenriss vor dem Kreis des Mondes ab. Die kleine Welt hier war wieder zur Ruhe gekommen, aber das Grauen war immer noch vorhanden, das wusste Bennett sehr genau.
Er war kein Schwarzmaler, eher ein Optimist. Nur konnte er sich vorstellen, dass dieser Fund nur so etwas wie ein Anfang gewesen war – nur der kleine Horror, dem der große bald folgen würde.
Es kribbelte auf seinem Rücken, als er wieder auf die Schule zuging. Auch jetzt wollte er den Seiteneingang nehmen und dann sein Zimmer aufsuchen. Dort konnte er dann in Ruhe darüber nachdenken, wie es weitergehen sollte.
Für ihn war das kein Scherz mehr. Er nahm es als Anfang vom Ende hin, denn hier hatte es jemand geschafft, eine alte Legende wieder zum Leben zu erwecken.
Bisher war es nur ein künstlicher Kopf gewesen, aber wer sagte ihm, dass es dabei bleiben würde?
Vor der Tür drehte er sich noch mal um. Er wollte einen letzten Blick über den See und seine Ufer werfen. Alles war wieder normal geworden. Die Natur lag eingebettet in der nächtlichen Ruhe, wie es sich gehörte.
Bennett öffnete die Tür. Er drückte sie nach innen und schaltete sofort das Licht an.
Vor ihm lag die Treppe aus drei Stufen. Danach konnte er den Gang betreten, an dem die Zimmer des Lehrpersonals lagen. Seine Kollegen waren in Urlaub gefahren. Nur die Rektorin und er hielten hier die Stellung.
Auch im Flur brannte Licht. Ganz am Ende befand sich sein Zimmer. Ungefähr in der Mitte war die Tür, die zu Mabel Cramers kleiner Wohnung führte.
Phil Bennett machte sich Gedanken darüber, ob er sie wecken sollte. Schließlich war es ihr Kopf, den er gefunden hatte, auch wenn das Ding nur aus Gips oder einem ähnlichen Material bestand.
Die Entscheidung brauchte er nicht zu treffen. Sie wurde ihm abgenommen.
Die Tür zu Mabel Cramers Wohnung wurde geöffnet, und die Rektorin stand im schwachen Licht der Raumbeleuchtung auf der Schwelle.
»Also doch Sie!«
Bennett nickte.
»Ich sah Sie vom Fenster aus am Strand. Wollten Sie noch mal frische Luft schnappen?«
»So ist es.«
»Ich kann auch nicht schlafen, Phil. Der Vollmond, wissen Sie? Er macht einem schon zu schaffen, wenn man älter
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