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15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

Titel: 15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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zwischen mir und anderen ein Gespräch entspänne. Ich sprach einigemal zu uns Begegnenden; da aber war er sofort mit einer Unterbrechung da und versuchte, mich abzudrängen. Das machte ihn verdächtig. Ich begann zu ahnen, daß er irgendeine Absicht verfolge.
    „Kommen wir nicht an dem Hause des Mejwedschi Glawa vorüber?“ fragte ich ihn.
    „Nein. Warum?“
    „Weil ich gern wissen möchte, wo er wohnt, da ich ihn doch morgen aufsuchen werde. Willst du es mir zeigen?“
    „Ja.“
    „Ist der Mejwedschi ein Serbe?“
    „Warum denkst du das?“
    „Weil sein Name ein serbischer ist.“
    „Du hast es erraten. Folge mir!“
    Nach einiger Zeit zeigte er mir ein Haus als dasjenige des Fruchthändlers, und ich merkte es mir. Es war um die Abenddämmerung, als wir heimkehrten. Dort hörten wir, der Knecht sei gestürzt und habe sich so beschädigt, daß man nach dem Arzt geschickt habe. Der Fuhrmann suchte den Knecht auf, und ich ging über den Hof in den Stall.
    Als ich dort eintrat, sah ich die Pferde ohne Aufsicht. Osco und Omar waren auch fortgegangen. Rih drehte mir den Kopf zu, wieherte auf und schnaubte dann in einer Weise, wie ich es noch nie an ihm bemerkt hatte. Ich liebkoste seinen Kopf; er pflegte dann gewöhnlich die feine Nase an meiner Achsel zu reiben und mich auf die Wange zu küssen – denn ein Pferd küßt auch – jetzt aber unterließ er es. Er schnaubte fort und zeigte eine ganz ungewöhnliche Erregung. Ich betrachtete ihn. Es war bereits ziemlich dunkel in dem Stall, aber ich bemerkte doch, daß das Pferd nur auf dem rechten Hinterhuf stand. Ich hob den linken Huf empor und betastete ihn. Rih schnaubte und zuckte das Bein, als ob er Schmerzen empfände.
    „Er lahmt“, sagte Halef. „Das fehlt uns noch! Wo hat er sich Schaden getan?“
    „Das werden wir gleich sehen. Nehmen wir ihn hinaus in den Hof; da ist es noch hell.“
    Der Rappe hinkte wirklich, und zwar bedeutend, so daß mir die Sache sehr verwunderlich vorkam. Es war, bis ich aus dem Sattel stieg, nicht das geringste zu bemerken gewesen. Woher also plötzlich eine Verletzung? Ich strich mit der Hand an dem kranken Bein hinab; da aber gab es keine Schmerzen. Das Übel saß am Hufe. Ich hob diesen empor und betrachtete ihn, konnte aber nicht das geringste entdecken. Ich begann, mit der Fingerspitze zu tasten, lange vergeblich. Endlich zuckte das Pferd zusammen, und ich hatte unter dem Haar eine kleine Erhöhung gefühlt. Ich schob die Haare beiseite und sah – den Kopf einer Stecknadel, welche dem armen Tier am Hufrande in das Leben getrieben war.
    „Hier, Halef, eine Nadel!“
    „Allah! Wie ist das möglich? Wo hat er sich dieselbe eingetreten?“
    „Eingetreten? An dieser Stelle ist von einem Eintreten gar keine Rede. Schau her!“
    Er sah den Nadelkopf und hatte in demselben Augenblick auch bereits die Peitsche aus dem Gürtel gerissen. Er wollte fort; aber ich hielt ihn zurück.
    „Halt! Keine Dummheit!“
    „Dummheit? Ist es etwa eine Dummheit, wenn ich den Menschen peitsche, welcher dieses Tier so quält und es zuschanden machen will?“
    „Warte nur noch! Zunächst muß die Nadel entfernt werden. Halte das Bein!“
    Rih merkte, daß ich ihm Hilfe bringen wollte. Ich konnte mich nur des Messers bedienen, um die Nadel zu fassen. Der Rappe hatte sicherlich Schmerzen dabei, aber er hielt vollständig still. Als ich dann die Nadel herausgezogen hatte, sagte Halef, die Hand nach ihr ausstreckend:
    „Gib sie mir! Ich werde den Bösewicht entdecken, der es getan hat, und ihm steche ich sie dann in – in – sage mir, Sihdi, wo es ihm am meisten schmerzen wird!“
    „Ihm die Nadel irgendwo ins Fleisch zu stechen, das wäre keine Strafe. Führen wir das Pferd wieder in den Stall.“
    Rih trat wieder auf. Ich war nicht weniger zornig als Halef, aber die Sache wollte überlegt sein. Zu welchem Zweck hatte man das Tier lahm gemacht?
    „Ich weiß es“, sagte Halef.
    „Nun, weshalb?“
    „Um dich zum Verkauf des Rappen zu bewegen.“
    „Das wohl nicht. Zigeuner pflegen zuweilen dieses Mittel anzuwenden. Findet man die Nadel nicht, so hält man das Pferd für unheilbar und verschleudert es. Hier ist aber wohl eine andere Absicht vorhanden.“
    „Er hat dich doch gefragt, ob du den Rappen verkaufst!“
    „Aber er muß aus meiner Antwort gemerkt haben, daß mir dies nicht einfallen kann. Und wenn er wirklich geglaubt hat, mich durch einen so niederträchtigen Streich zum Verkauf zu bewegen, so hat er sich sehr geirrt. Ich

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