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15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

Titel: 15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Schädel mit seinem Kaftan ab, bespuckte aber natürlich erst die Stelle des Gewandes, welche er zum Abreiben benutzte. Dann entblößte der Arnaut seinen Oberkörper. Eine Ehre für uns war es jedenfalls, daß er sich zu der entschuldigenden Erklärung herbeiließ:
    „Gidschischim war – ich habe Hautjucken.“
    Einige tüchtige Peitschenhiebe wären da wohl nützlicher gewesen, als das Schröpfen!
    Der ‚Oberarzt‘ holte einen Sack aus dem Winkel herbei und zog einige Gegenstände hervor, welche ich für alte, hohle Uhrgewichte hielt. Sie konnten je vier Zehntelliter Inhalt fassen. Dazu kam noch ein Instrument, welches einer unbrauchbaren Lichtputzschere so ähnlich sah, wie ein Ei dem andern. Nun wurde Raki angebrannt, und der Doktor hielt eins der Uhrgewichte über die Flamme. Als die Luft durch die Wärme verdünnt worden war, mußte der Arnaut sich auf den Bauch legen, und der Barbier versuchte, ihm den riesigen Schröpfkopf auf den Rücken zu setzen.
    Der Rand des Gefäßes war heiß geworden; der Arnaut fühlte den Schmerz und langte dem Oberarzt eine so kräftige Ohrfeige hinauf, daß der Getroffene sich, so lang er war, neben den milden Spender hinlegte.
    „Was fällt dir ein?“ zürnte der Patient. „Du sollst mich schröpfen, nicht aber verbrennen!“
    „Kann ich dafür?“ lautete die Entschuldigung. „Das Instrument muß ja heiß sein, sonst zieht es nicht.“
    Er nahm sich aber nun mehr in acht, und es gelang ihm, zwei der Schröpfköpfe zum Haften zu bringen. Er warf mir einen triumphierenden Blick zu, wurde aber aus seiner Verzückung durch den zornigen Ausruf des Arnauten gerissen:
    „Mensch, willst du mich umbringen! Wer soll denn solche Schmerzen aushalten?“
    „Habe nur einen Augenblick Geduld! Juckt es dich im Rücken noch?“
    „Nein. Es brennt und sticht und beißt!“
    „Siehst du, daß ich dir Hilfe bringe! Das Jucken ist bereits vorüber. Jetzt kommt der Wetzstahl daran.“
    Er zog aus dem Sack ein langes Eisen und begann das Instrument, welches ich für eine Lichtschere hielt, zu wetzen. Er tat dies mit einer so unternehmenden Miene, als ob es gelte, einem Nilpferd den Genickfang zu geben. Er prüfte die Schärfe des Instrumentes an einem Balken der Wand und kniete dann neben dem Patienten nieder. Die Schröpfköpfe waren unterdessen erkaltet und also abgefallen, zwei rote, geschwollene Stellen zurücklassend.
    Der Heilkünstler setzte an und zählte:
    „Bir – icki – ätsch – eins – zwei – drei! Allah 'l Allah! Was tust du? Ist das der Dank dafür, daß ich dir die Gesundheit wieder schenke?“
    Nämlich in demselben Augenblick, in welchem der Arnaut den Stich erhielt, bekam der Arzt eine zweite Ohrfeige. Der Operierte war aufgesprungen und faßte den Wundermann beim Kragen.
    „Hund, du hast mich halb erstochen!“ brüllte er. „Wie kannst du das Blut eines Dieners des Großherrn so unmäßig vergießen! Soll ich dich aufspießen, oder soll ich dich erwürgen?“
    Auch ich stand auf, aber nicht etwa dieses Vorkommnisses wegen, welches mich gar nichts anging, sondern aus einem anderen Grund. Nämlich der Mann, welcher sich an den Zehen herumgeschnitzt hatte, war mit dieser Beschäftigung fertig geworden und hatte eine andere, leider aber nicht appetitlichere begonnen.
    Er hatte nämlich das helle Tuch, welches er turbanartig um den Kopf trug, herabgenommen und vor sich ausgebreitet, dann einen aus Holz grob geschnitzten Kamm aus der Tasche gezogen und sich ganz ungeniert und vor unsern Augen einer Beschäftigung hingegeben, welche zwar dem Orientalen nicht oft genug empfohlen werden kann, aber doch nicht gar so öffentlich und unbefangen vorgenommen werden sollte. Er schien nicht Mohammedaner zu sein, denn er trug sein volles Haar – und was für ein Haar! Und diesen Filz eggte er mit einer Vehemenz – – – doch genug davon!
    Als nun die ärztliche Operation einen interessanten Schluß zu erhalten schien, wollte er sich das zarte Schauspiel nicht entgehen lassen. Er erhob sich also auch und schüttelte das Tuch ganz einfach aus und zwar grad dahin, wo wir uns befanden.
    Ich stand natürlich im nächsten Augenblick draußen und die anderen waren auch bei mir. Halef meinte lachend:
    „Afw, Effendi; tehammül etmez-di daha hajle wakyt – verzeih ihm, Herr; er konnte es nicht länger mehr aushalten!“
    Der Wirt erhielt seine Bezahlung, und wir verließen den nur für Insektensammler so interessanten Ort. Ein zweites Han, selbst wenn es eines gab,

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