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15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

Titel: 15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Handarbeit des Mannes und blitzblank gescheuert. Auf etlichen, an der Wand befestigten Brettern standen mehrere Gefäße. In der hinteren Ecke befand sich das Bett, von harzigen, bis zur Decke reichenden Zweigen eingefaßt, und daneben war eine Nische angebracht mit dem Bild des heiligen Basilius und mit einem brennenden Lämpchen davor.
    Das war arm, aber anheimelnd.
    Die Frau blickte den Mann verlegen fragend an. Er gab ihr einen, nach außerhalb des Hauses gerichteten Wink und nickte dazu. Während wir ablegten, trat ich an das Fenster und sah, daß die Frau mit einer Hacke in der Hand quer durch den Bach schritt, was einige darin liegende Steine erleichterten, und dann jenseits in der Nähe, eines Busches zu hacken begann. Ich ahnte sogleich, um was es sich handelte.
    In jenen Gegenden nämlich und noch mehr nach Griechenland hinein ist es in gewissen, natürlich christlichen Kreisen gebräuchlich, fest verschlossene Krüge oder sonstige Gefäße, die mit Wein gefüllt sind, zu dem Zweck zu vergraben, daß sie erst bei der Hochzeit der Tochter wieder ausgegraben werden. Der Wein hat dann eine seltene Güte erlangt. Bei reichen Hochzeiten geht es hoch her; es darf kein Tropfen übrigbleiben.
    „Laß ihn drin“, sagte ich zu dem Mann. „Ich zieh das Wasser vor, und meine Begleiter sind nicht Christen, sondern Mohammedaner und dürfen keinen Wein trinken.“
    „Nicht Christen? Sie haben doch hier vor dem Heiligen die frommen Zeichen gemacht!“
    „Weil sie es von mir gesehen haben. Sie verachten den Andersgläubigen nicht, doch halten sie ihre Gebote. Laß also den Wein in der Erde!“
    „Woher weißt du denn, daß ich Wein vergraben habe und ihn holen lassen will?“
    „Ich errate es.“
    „Ich habe nur ganz wenig, einen kleinen Krug voll. Meine Tochter bekam ihn von dem Jüngling geschenkt, welcher dann ihr Verlobter wurde. Wir vergruben den Wein, um bei der Hochzeit einen Ehrentrunk zu haben. Nun sie aber gestorben ist, wollte ich ihn euch anbieten.“
    „Das gebe ich nicht zu. Das Herz würde mir weh tun.“
    „Herr, nimm ihn doch! Wir geben ihn so gern!“
    „Ich weiß es. Die Gabe des Armen hat hundertfachen Wert. Es ist so gut, als tränke ich ihn.“
    Ich ging hinaus und rief die Frau zurück. Sie gehorchte nur widerstrebend. Ich bat sie, heißes Wasser zu machen. Während dies geschah, führten wir die Pferde auf einen mit fettem Gras bewachsenen Plan und fesselten ihnen die Vorderfüße. Dann gab ich der Frau Kaffee, um ihn zu stoßen. Ich hatte dabei die große Freude, ein fröhliches Aufleuchten ihrer Augen zu bemerken. Wer weiß, seit wann diese armen Menschen keinen wirklichen schmackhaften Kaffee gehabt hatten!
    Als der Trank fertig war und die ganze Stube durchduftete, zogen wir diese Leute aus der Verlegenheit, indem wir unsere Trinkbecher hervorsuchten. Nun kamen unsere Fleischvorräte an die Reihe. Als wir den Kaffee getrunken hatten, war es Nacht geworden, und der Braten lud zum Essen ein.
    Die beiden sollten sich mit uns an den Tisch setzen, waren aber nicht dazu zu bringen. Sie nahmen kein Stück von dem Fleisch an.
    „Verzeih, Herr!“ sagte der Mann. „Wir dürfen heute nicht essen.“
    „Warum nicht? Es ist heute kein Fasttag.“
    „Wir essen montags, mittwochs und freitags nichts.“
    „Ich weiß zwar, daß bei euch die Mönche an diesen drei Tagen fasten; ihr aber seid doch Laien!“
    „Wir fasten dennoch. Wir haben es uns vorgenommen.“
    „Ist es eines Gelübdes wegen?“
    „Nein. Wir haben kein Gelübde getan; wir haben es unter uns verabredet.“
    „So will ich euch von meinem Mehl geben, damit ihr euch etwas backt.“
    „Ich danke dir! Wir essen nichts, gar nichts.“
    „Aber selbst eure Priester essen während der Fasttage doch wenigstens Hülsenfrüchte, Wurzeln und Kräuter.“
    „Wir aber keinen Bissen. Nimm es nicht übel, Herr!“
    Diese blutarmen Menschen, da saßen sie nebeneinander auf dem Schemel; aus ihren hageren Gesichtern blickte das Leiden, und trotz des besten Willens konnten sie ihre Augen nicht von den Essenden wenden. Es tat mir weh. Der Bissen quoll mir im Mund. Ich stand auf und ging hinaus. Ich kann bei keinem Kummer, bei keiner Entsagung den kalten, ruhigen Zuschauer machen.
    Ich suchte nach einem Platz, der sich zum Lagern eignete, und fand sehr schnell einen ganz vortrefflichen. Es war heute sehr sternenhell, nicht so finster wie an den vergangenen Abenden. Hinter dem Haus stieg eine mit dichtem Buschwerk besetzte Anhöhe zum Wald empor.

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