15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan
Kleider, damit ihr dann sehen könnt, ob wir wirklich Mehlwürmer sind!“
Halef war ein vollständig furchtloser Mensch. Dazu kam, daß er mit seinem selbstbewußten Auftreten bisher stets Glück gehabt hatte. War er durch dasselbe je einmal in eine augenblickliche Bedrängnis geraten, so hatte ihn meine Einmischung stets wieder aus der Verlegenheit gerissen. Darum zeigte er auch jetzt keine Angst vor diesen Männern, obgleich ihr Äußeres durchaus kein Vertrauen erwecken konnte.
Der Fleischer, an welchen Halef seine Strafpredigt gerichtet hatte, betrachtete ihn mit einer Art bärbeißigen Wohlwollens, ungefähr so, wie ein amerikanischer Bluthund ein Schoßhündchen, das ihn ankläfft, betrachten würde. Auf seinem Gesicht war deutlich der Gedanke zu lesen: Armer Wurm! Ein Biß von mir und ein Schluck, so habe ich dich gefressen; aber ich will es nicht tun, da du mich dauerst!
Wir stiegen ab und erhielten geschroteten Mais für die Pferde. Für uns gab es Fleisch in Menge. Ich nahm natürlich zunächst das Pferd vor und bat um einen alten Lappen, welchen ich zum nassen Umschlag brauchte. Als ich ihn dem Hengst umlegte, fragte mich einer der Fleischer, ob das Pferd am Fuß krank sei.
„Ja“, antwortete ich. „Es hat einen Stich oberhalb des Hufes erhalten.“
„Da legst du Wasser auf? Das kühlt zwar, aber ich weiß ein noch viel besseres Mittel.“
„Was denn?“
„Ich bin hier in der ganzen Gegend als Roßarzt bekannt. Ich kenne eine Salbe, welche die Hitze nimmt und alle Wunden auf das schnellste heilt. Wenn du dieses Mittel versuchen willst, wirst du es nicht zu bereuen haben.“
„Gut; wollen einmal die Probe machen.“
Das war keineswegs voreilig gehandelt. Ich hatte gehört, daß in manchem dieser Sahana Kuren vorgenommen wurden, deren sich der unterrichtetste Arzt nicht zu schämen brauchte. Ich sollte dieses Vertrauen auch nicht zu bereuen haben. Rih trug die Salbe drei Tage lang am Fuß und von einer Wirkung des Nadelstiches war keine Spur mehr.
Halef und ich schliefen bei unseren Pferden im Freien. Osco und Omar zogen die Hütte vor. Kurz nach Anbruch des Tages wurden wir von Treibern geweckt, welche eine Menge meist gefesselter Büffel brachten, die entweder wegen ihres Alters oder wegen ihrer Unbändigkeit an das Sahan verkauft worden waren. Da war von Schlafen keine Rede mehr, obgleich wir ungefähr nur zwei Stunden geruht hatten.
Die Tiere sollten gleich geschlachtet werden. Ich wollte sehen, welche Methode man dabei anwenden werde. Man schlang dem betreffenden Büffel zwei Seile um die Hörner und zog ihn an einem Pfeiler in die Höhe. Oben auf einem Querbalken stand ein Mann, welcher mit einem Beil so lange auf dem Schädel des armen Geschöpfes herumtrommelte, bis es verendete. Der Todeskampf war ein schrecklicher.
Ich bat um die Erlaubnis, die dem Tode Geweihten niederschießen zu dürfen. Man lachte. Man glaubte nicht, daß die Kugel einem dieser riesigen und starkknochigen Tiere ins Leben dringen werde. Ich bewies ihnen das Gegenteil.
Der erste Büffel, welcher den Schuß erhielt, blieb mit tief gesenktem Kopf noch eine ganze Weile bewegungslos stehen. Nicht einmal die Spitze des Schwanzes zuckte. Die Augen stier auf mich gerichtet haltend, stand er mit weit gespreizten Beinen wie eine aus Eisen gegossene Figur.
„Die Beile her! Die Beile und Stricke!“ schrie einer. „Er wird gleich losbrechen!“
„Bleibt ruhig!“ antwortete ich. „Er wird nicht los-, sondern zusammenbrechen.“
Das geschah auch. Ganz plötzlich, wie erst in diesem Augenblick von der Kugel getroffen, stürzte das mächtige Tier zu Boden und bewegte sich nicht mehr.
So ging es auch mit den andern. Es war keine ehrenvolle Arbeit, diese Tiere zu erschießen; aber ich hatte doch die Genugtuung, daß sie ohne Qual endeten.
Es wunderte mich, daß wir nicht nach dem Woher und Wohin gefragt wurden. Vielleicht war es infolge des Umstandes, daß ich die Koptscha des Anführers trug. Man getraute sich nicht, eine Frage zu tun. Bevor wir aufbrachen, versahen wir uns mit einem Vorrat von Postrama, das heißt gedörrte Streifen von Büffellende. Dieses Fleisch hält sich sehr lange und ist außerordentlich schmack- und nahrhaft. Als ich nach unserer Schuldigkeit fragte, wurde ich gebeten, ja nicht an Bezahlung zu denken. Es ward nichts angenommen, und wir schieden sehr befriedigt von diesen Leuten, obgleich der Empfang ein keineswegs friedlicher gewesen war.
In Zeit von einer Stunde hatten wir Derbend
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