15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan
der Stammbaum des Pferdes, den doch jeder Käufer sehen und haben wollte?“
„Den wird der Mensch schon bei sich tragen. Er fiele uns also in die Hände. Ich befürchte nur, daß nicht wir diejenigen sein werden, welche den herrlichen Rappen bekommen.“
„Warum nicht?“
„Manach el Barscha und Barud el Amasat werden ebenso klug sein, wie wir.“
„Hm! Das ist richtig. Aber wir können sie ja leicht betrügen.“
„Wieso denn?“
„Indem wir ihnen verschweigen, daß der Fremde nach Doiran geritten ist. Wir sagen ihnen nur, daß er entkommen sei und sich wahrscheinlich nach – nach – nach irgend einem Ort gewendet habe, dessen Namen wir uns noch aussinnen können. Dann reiten wir übermorgen gegen Doiran und lauern den vier Kerlen auf.“
„Dieser Gedanke ist prächtig. Ich vermute nur, daß Manach und Barud sich nicht täuschen lassen werden.“
„Wir müßten es dann sehr dumm anfangen!“
„Wer weiß auch überhaupt, wie lange es dauert, ehe wir sie finden!“
„Keine einzige Stunde.“
„Ich bin vom Gegenteil überzeugt. Wir wissen nur, daß wir zu der Ruine kommen sollen. Aber da können wir lange suchen.“
„Hast du vergessen, daß wir uns an den alten Mübarek wenden sollen?“
„Das weiß ich sehr wohl. Aber erstens fragt es sich, ob sie ihm ihren Aufenthaltsort wirklich genau mitgeteilt haben, und zweitens kennen wir den Alten nicht. Wer weiß, was für ein Kerl er ist!“
„Er soll ja auch die Koptscha haben, das geheime Zeichen unseres Bundes.“
„Das ist noch kein Grund, um jedes Geheimnis mitzuteilen.“
„So haben wir das heimliche Wort, welches Barud el Amasat uns sagte und welches er auch dem alten Mübarek geben wird. Es ist das Zeichen, daß er uns den Aufenthaltsort der Verborgenen nennen oder zeigen soll. Also finden werden wir sie sofort. Das macht mir keinen Kummer. Nur fragt es sich, ob sie noch weitere Dienste von uns verlangen werden.“
„Das schlage ich ihnen ab. Wir würden dadurch verhindert werden, den vier Fremden aufzulauern.“
„Abschlagen? Das geht nicht. Wir müssen gehorchen. Du weißt doch, daß Widersetzlichkeit mit dem Tod bestraft wird.“
„Wenn sie erwiesen ist. Aber wenn ich krank bin, so kann ich nicht gehorchen.“
„Ah, du willst dich krank stellen? – Das müßte ich dann auch tun, und das würde sehr auffällig sein. Warum sollten wir zufällig alle beide krank geworden sein?“
„Auch da gibt es eine gute Ausrede. Wir sind unterwegs mit den vier Fremden zusammengetroffen und von ihnen angegriffen worden.“
„Hm! Verwundet also?“
„Ja. Ich verbinde mir den Kopf, und du tust das Gleiche mit deinem Arm. Wir sind so matt und angegriffen, daß man zunächst unmöglich einen weiteren Dienst von uns verlangen kann – schau, da reitet der Wirt zum Tor hinaus! Trink, damit wir erfahren können, ob der Knecht uns den Krug auch wirklich wieder füllen wird.“
Sie tranken und tranken und brachten den Krug zu meinem Erstaunen, ich möchte fast sagen zu meinem Entsetzen, wirklich leer. Dann trat der eine an das Fenster und rief hinaus, worauf ein Knecht hereinkam, welcher natürlich von seinem Herrn die nötige Weisung erhalten hatte.
Die beiden Gäste erfuhren von ihm, daß er ihnen bringen werde, was sie verlangten, und sie gaben ihm den Befehl, zunächst den Krug wieder zu füllen.
Von zwei Krügen solchen Rakis hätte ein Rhinozeros betrunken werden müssen, und so war ich überzeugt, daß sie sehr bald in einen Zustand verfallen würden, welcher meiner Absicht, sie zu belauschen, nicht günstig sein konnte.
Sie saßen, als der volle Krug gebracht wurde, auch wirklich einsilbig beieinander, blickten stier vor sich hin und tranken in kurzen Zwischenräumen. Ich sah ein, daß von ihnen nicht mehr zu erfahren sei, und beschloß, mich jetzt zu entfernen.
Ich war nicht recht befriedigt von meinem Erfolg. Was hatte ich erfahren? Daß der Schut, der geheimnisvolle Anführer derjenigen, die in ‚die Berge gegangen waren‘, seine Untertanen in einer sehr strengen Zucht hielt, daß er sogar Widersetzlichkeit mit dem Tod bestrafte.
Ferner wußte ich nun genau, daß Barud el Amasat, Manach el Barscha und der mit ihnen aus Adrianopel entflohene Gefängnisschließer in der Ruine von Ostromdscha zu suchen seien. Aber diese Ruine konnte sehr weitläufig sein. Vielleicht befanden sich die Betreffenden auch nur des Nachts oder überhaupt nur zu gewissen Zeiten dort.
Sodann hatte ich erfahren, daß es einen alten Mübarek
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