15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan
belauschten, auch dorthin und werden vergeblich suchen.“
„Ich war noch nie in Doiran und weiß also nicht, wie weit es bis dorthin ist.“
„Ich glaube, daß man gut sieben Stunden zu reiten hat. Die Kerle werden erst am Abend dort ankommen. Morgen erkundigen sie sich. Dann erfahren sie freilich, daß sie am Narrenseil geführt wurden. Aber vor übermorgen mittag haben wir sie nicht in Ostromdscha zu erwarten. Wir können also hier essen und trinken so viel und so lange, als es uns beliebt.“
„Das freut mich so, als ob ich selbst heute meinen Geburtstag hätte. Ob aber der Wirt wohl heute wieder zurückkommt?“
„Wird ihm nicht einfallen!“
„Wir hätten ihn doch fragen sollen.“
„Warum?“
„Wüßte ich, daß er erst morgen zurückkehrt, so würde ich vorschlagen, den ganzen Tag hierzubleiben. Wir sind ja Gäste und bekommen alles, war wir verlangen, ohne daß wir einen einzigen Para zu zahlen brauchen. So etwas muß man nach Kräften ausnützen.“
„Was diese Sorge betrifft, so ist sie überflüssig. Der Wirt bleibt jedenfalls bis morgen dort.“
„Meinst du?“
„Wenn man seinen Geburtstag begeht, so fällt die Hauptfeier doch allemal auf den Abend.“
„Das ist wahr.“
„Wenn sie zu Ende ist, dann ist Mitternacht jedenfalls vorüber. Denkst du etwa, daß er dann noch sich auf das Pferd setzt, um vier lange Stunden bis nach Hause zu reiten?“
„Dazu wird er wohl keine Lust haben.“
„Vielleicht nicht bloß keine Lust. Man ißt und man trinkt dazu, und das Trinken am Geburtstag ist ein böses Ding. Man trinkt sich da sehr leicht einen Rausch an, infolgedessen man gern bis in den Tag hinein schläft.“
Das klang grad so, als ob ich mich im lieben Deutschen Reich befände, wo sich ganz dieselben Anschauungen vorfinden sollen.
„Du hast recht“, stimmte der andere bei, indem er einen gewaltigen Zug aus dem Krug tat. „Der Wirt wird trinken und morgen lange schlafen. Es steht zu erwarten, daß er vor Mittag nicht nach Hause kommt. Wir können uns also hier gütlich tun und die Nacht hierbleiben. Die verwünschten vier Kerle sind ja jetzt nicht mehr zu fürchten, und nach Ostromdscha zu kommen, das hat folglich für uns gar keine Eile.“
„Gut! Also bleiben wir! Wenn ich an die vorgestrige Nacht denke, so könnte ich über mich selbst zornig werden. Dieser Mensch, welcher den Rappen reitet, der noch dazu ein Christenhund, ein Ungläubiger sein soll, befand sich in unseren Händen, und wir haben ihn entkommen lassen!“
„Ja, es war unverantwortlich. Ein einziger Messerstich, und der Mensch wäre unschädlich gemacht gewesen!“
„Es kam alles so plötzlich! Man konnte sich gar nicht besinnen. Kaum waren die Kerle zwischen uns, so waren sie auch schon wieder fort.“
„Wie aber sind sie nur hinauf in den Taubenschlag gekommen?“
„Jedenfalls durch den Raum, in welchem sich das Heu befindet.“
„Aber wie haben sie wissen können, daß es von da aus möglich war, uns zu belauschen? Wer hat ihnen überhaupt gesagt, daß wir eine Versammlung hatten und daß wir uns ihretwegen in der Kammer befanden?“
„Der Teufel hat es ihnen erzählt. Diese Giaurs werden alle vom Teufel geholt. Darum hält er bereits bei Lebzeiten mit ihnen Freundschaft. Kein anderer hat es ihnen verraten. Aber wehe ihnen, wenn sie nach Ostromdscha kommen! Sie sollen in die Hölle fahren, alle vier!“
„Hm! Uns beide geht die Sache eigentlich gar nichts an. Wir sind nur die Boten und werden dafür bezahlt.“
„Aber wer mich bezahlt, dessen Freund bin ich und dem stehe ich bei.“
„Auch mit einem Mord?“
„Warum denn nicht, wenn es Geld einbringt? Ist es etwa eine Sünde, einen Giaur zu töten?“
„Nein, es ist sogar ein sehr verdienstliches Werk. Wer einen Christen tötet, der steigt dadurch um eine ganze Stufe zum siebenten Himmel höher. Das ist die alte Lehre, auf welche leider heute die Leute nicht mehr hören wollen. Es juckt mich in den Fingern, diesem Fremden, wenn er nach Ostromdscha kommt, eine Kugel zu geben.“
„Ich bin dabei.“
„Bedenke, welchen Vorteil wir davon hätten! Es würde uns sehr gut bezahlt, und sodann gehörte uns alles, was er bei sich hat. Sein Pferd allein wäre ein wahres Vermögen für uns. Der Stallmeister des Padischah würde, wenn wir es zu ihm nach Stambul brächten, uns eine große Summe dafür zahlen.“
„Oder auch gar nichts!“
„Oho!“
„Er würde uns fragen, woher wir es haben.“
„Geerbt natürlich.“
„Wo wäre aber
Weitere Kostenlose Bücher