15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan
Nicht?“
„Ja“, nickte der andere, vor Vergnügen grinsend. „Wir werden uns eine Güte tun.“
„Der Mann soll, wenn er bei seiner Rückkehr erfährt, was wir verzehrt haben, nicht sagen, daß wir seinen Geburtstag nicht zu feiern verstanden.“
Mich freute es, daß der Wirt in so kluger Weise auf diesen Vorwand, die beiden hier festzuhalten, gekommen war. Er brachte einen Krug, welcher nach meiner Ansicht groß genug war, mit seinem Inhalt zehn Männer betrunken zu machen. Dazu setzte er ein Glas auf den Tisch und wollte eingießen.
„Halt!“ gebot der Schleuderer. „Dieses Gefäßchen ist ja nur für Kinder. Wir aber sind Männer und trinken gleich aus dem Krug. Was Allah gibt, das soll man voll genießen. Ich trinke auf dein Wohl und wünsche dir dabei alles, was du dir selbst wünschen magst.“
Er tat zwei lange Züge, setzte ab, tat noch einen Zug und machte dann ein Gesicht, als ob er Nektar getrunken habe. Sein Kamerad folgte seinem Beispiel, trank auch nicht weniger, schnalzte mit der Zunge und meinte, dem Wirt nun den Krug entgegenhaltend:
„Trink', Freundchen! Dieses Labsal findet seinesgleichen nicht auf der ganzen Erde. Trink' aber nicht so sehr viel, damit wir als deine Gäste nicht zu kurz kommen.“
Der Wirt nippte nur und antwortete dann:
„Ihr werdet nicht zu kurz kommen und könnt euch den Krug wieder füllen lassen.“
„Wird dies auch geschehen, wenn du dich nicht mehr hier befindest?“
„Ja, ich habe dem Knecht, der euch bedienen wird, den Befehl gegeben, euch zu geben, was ihr verlangt, wenn es nämlich vorhanden ist.“
„So wünsche ich dir zehntausend Jahre anstatt eines einzigen Tausends. Du bist ein sehr frommer und würdiger Sohn des Propheten und führst ein verdienstliches Leben, für welches dich der Engel des Todes einst in Abrahams Schoß betten wird.“
„Ich danke euch! Jetzt aber werde ich gehen. Also wendet euch an den Knecht, wenn ich nicht mehr da bin.“
„Wo befindet er sich denn?“
„Draußen auf dem Hof. Es ist kein Mensch hier im Haus. Die Leute sind alle auf dem Feld, werden aber bald zurückkommen.“
Der Schlaue sagte das, um sie in Sicherheit zu wiegen. Sie sollten nicht argwöhnen, daß sie belauscht würden, sondern vollständig überzeugt sein, daß sie sich ganz gemütlich und laut unterhalten konnten.
„So wünschen wir dir gute Reise“, sagte der Besitzer des Beiles. „Vorher aber möchte ich mich bei dir nach etwas erkundigen.“
„Was ist das?“
„Sind vielleicht vor einiger Zeit drei Männer eingekehrt, weißt du, nicht gewöhnliche Männer, sondern vornehme Herren?“
„Hm! Bei mir kehren sehr viele Leute ein. Ihr müßt mir also diese drei beschreiben.“
„Das ist nicht notwendig. Wir brauchen dir nur zu sagen, was für Pferde sie ritten. Es waren drei Schimmel.“
„Ah, richtig! Die sind gestern abend hier gewesen. Es waren sehr vornehme Männer.“
„Haben sie hier geschlafen?“
„Nein. Sie wollten es zwar tun, aber wir machten ein Spielchen, welches fast bis zum Morgen währte, und da meinten sie dann, daß es besser wäre, sogleich weiter zu reiten.“
„Haben sie dir gesagt, welches ihr Reiseziel wäre?“
„Ja.“
„Etwa Ostromdscha?“
„O nein! Sie wollten nach Doiran.“
„Ah so! Sind sie denn auch dorthin geritten?“
„Natürlich! Sie haben es ja gesagt. Warum sollten sie denn auf einen andern Gedanken kommen?“
„Ganz richtig! Du hast wohl gesehen, daß sie nach Süden davonritten?“
„Ich? Gesehen?“ fragte er erstaunt. „Um das zu sehen, hätte ich ihnen doch durch das ganze Dorf nachlaufen müssen. Welchen Grund sollte ich haben, dies zu tun?“
„Ich fragte das nur so nebenbei. Aber weiter! Sind nicht dann auch noch andere bei dir eingekehrt, welche aus derselben Richtung kamen?“
Diese Frage galt natürlich mir und meinen Begleitern. Wie ich sie beantwortet hätte, das wußte ich; aber daß sie der Wirt anders beantworten werde, davon war ich vollständig überzeugt. Jedenfalls war es am leichtesten, uns ganz zu verleugnen. Daß wir gar nicht hier durchgekommen seien, war nicht zu behaupten; denn wir waren ganz offen durch die rückwärts liegenden Orte geritten und von vielen Leuten gesehen worden. Die beiden hatten sich da jedenfalls auch nach uns erkundigt und wußten also, daß wir ihnen voraus waren.
Am allerbesten war es jedenfalls, wenn der Wirt eingestand, daß wir hier gewesen seien. Und war er sehr pfiffig, so konnte er sagen, daß wir den dreien, die
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