15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan
gebe, einen sogenannten Heiligen, bei welchem die Eingeweihten mit Hilfe eines heimlichen Wortes erfahren konnten, wo sich die drei erwähnten Männer befanden. Aber wer war dieser ‚Heilige‘, welcher trotz seiner Heiligkeit in dem verbrecherischen Bund der Ausgestoßenen eine Stelle einnahm? Wo war er zu finden? Auch in der Ruine? Und welches war das Wort, mit dem man sich bei ihm legitimieren konnte?
Den ‚Heiligen‘ getraute ich mir leicht zu finden. Aber das Wort zu erfahren, dies war jedenfalls außerordentlich schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Vielleicht gelang es, den Alten zu überrumpeln und ihm dadurch sein Geheimnis zu entreißen.
Jedenfalls aber war ich jetzt überzeugt, daß die beiden Trinker da drin in der Stube für mich bis morgen ganz unschädlich seien. In ganz kurzer Zeit waren sie gewiß so betrunken, daß sie den Verstand verloren hatten. Sie kamen wohl gar nicht dazu, sich Essen geben zu lassen, und wurden in irgend einem Winkel untergebracht, um dort ihren gewaltigen Rausch auszuschlafen.
Das war natürlich von großem Vorteil für mich, denn auf diese Weise blieben die Gesuchten ungewarnt vor uns, und ich konnte die Zeit von heute nachmittag bis morgen mittag – denn eher waren die Betrunkenen wohl nicht in Ostromdscha zu erwarten – dazu verwenden, nach den drei Entflohenen zu forschen.
Jetzt nun, da nichts Weiteres mehr zu erlauschen war, schob ich mich, am Boden kriechend, unhörbar hinter den Weidenbündeln hervor und schlich dann nach der Schlafstube. Sie war von innen verriegelt. Als ich leise klopfte, öffnete Halef. Er befand sich mit den beiden Gefährten und einem Knecht darinnen.
„Wir mußten natürlich zuriegeln, Sihdi“, erklärte er leise. „Die Halunken hätten ja auf den Gedanken kommen können, nachzusehen, ob sich jemand hier befinde.“
„Ganz recht. Wo sind die Bewohner des Hauses?“
„Sie haben sich versteckt, weil der Wirt erzählt hat, daß alle sich auf dem Feld befänden.“
„So wollen wir aufbrechen. Geh du voran und sorge dafür, daß wir nicht entdeckt werden.“
Der Knecht, an welchen diese Aufforderung gerichtet war, ließ uns heraustreten, schloß dann die Tür zu, zog den Schlüssel ab und huschte uns voran.
Der andere Knecht, welcher die Gäste bediente, stand auch bereit. Er ging zu ihnen hinein, um, laut mit ihnen sprechend, ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, und so wurde es für uns sehr leicht, aus dem Haus hinaus und auf den Hof zu gelangen.
Von hier aus kamen wir dann schnell nach der hinteren Seite des Gebäudes und wurden von dem Knecht eine Strecke weit auf das Feld geführt, wo der Wirt mit einigen Knechten und mit unseren Pferden auf uns wartete.
„Endlich!“ sagte er. „Dir ist die Zeit wohl nicht so lang geworden, als mir. Nun aber wollen wir aufbrechen. Steigt auf!“
„Vorher will ich bezahlen. Sage uns, was wir dir schuldig sind!“
„Ihr mir schuldig?“ lachte er. „Nichts, gar nichts!“
„Das dürfen wir nicht annehmen!“
„Doch! Ihr wart meine Gäste.“
„Nein. Wir sind ungeladen zu dir gekommen und haben sogar alles, was wir aßen und tranken, von dir verlangt.“
„Effendi, sprich nicht weiter! Tu mir die Schande nicht an, meine Gastfreundschaft von dir zu weisen. Wenn ich zwei solchen Halunken, wie jenen in der Stube, gebe, was ihr Herz begehrt, so kann ich wohl euch bitten, so zu tun, als ob ihr bezahlt hättet.“
„Aber grad das, was diese beiden erhalten, habe auch ich bestellt. Ich habe sogar versprochen, es zu bezahlen.“
„Herr, willst du mich erzürnen? Du willst mir mein Geld wieder verschaffen, und ich soll einige lumpige Piaster von dir für Bier und zwei Eier verlangen? Das tue ich auf keinen Fall!“
Ich hätte mich gleich beim ersten Wort nicht geweigert und hatte mich nur Halefs wegen nicht sofort beruhigt. Ich wollte sein Gesicht sehen, über welches es unaufhörlich zuckte und zerrte. Er mochte befürchten, daß ich doch bezahlen werde. Darum sagte er jetzt hastig:
„Sihdi, du kennst den Koran und alle seine Auslegungen. Warum handelst du gegen diese vom Engel Gabriel diktierten Lehren? Siehst du nicht ein, daß es gottlos ist, eine offene und mildtätige Hand von sich zu weisen? Wer ein Almosen gibt, der gibt es Allah, und wer eine Gabe zurückweist, der beleidigt Allah. Ich hoffe, daß du die Härte deines Herzens bereust und dem Propheten die Ehre gibst. Steig also auf und bekümmere dich nicht um die Piaster, welche kein Mensch haben will!“
Das war
Weitere Kostenlose Bücher