15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan
nicht getraute, mir bis zu den Gefährten zu folgen, welche auf mich warteten. Wir ritten weiter. Aber beim Aufsteigen hatte ich gesehen, daß die Neugierigen sich um die arme Frau versammelten, jedenfalls um sie auszufragen.
Von Nohuda, der Erbse, welche sich verjüngen wollte, hatte ich nicht Abschied genommen. Sie war zu den neugierigen Zuschauern getreten – trotz ihres bekleisterten Gesichtes – und da suchte ich sie freilich nicht auf.
Wir bogen nun von der Therme aus in ein enges Gäßchen ein, an dessen Ende ich einen zerlumpten Kerl lehnen sah, welcher uns mit scharfen Augen betrachtete. Er fiel mir gar nicht besonders auf, da die Personen, welche ich sah, mir alle mehr oder weniger zerlumpt vorkamen.
Nun wußte ich nicht, wohin uns der Türke führen werde. Ich fragte ihn jetzt danach, und er drückte seine Verwunderung darüber aus, daß ich diese Frage nicht früher gestellt hatte.
„Ich meinte, daß du gut für uns sorgen werdest“, erwiderte ich.
„Natürlich. Ich führe euch zu dem Konak ‚et Tohr el ahmar‘, wo es euch gar wohl gefallen soll.“
Dieser Titel des Gasthauses fiel mir auf. Das klang ja grade so, als befänden wir uns in den Gassen eines deutschen Provinzialstädtchens. ‚Et Tohr el ahmar‘ heißt nichts anderes als ‚zum roten Ochsen‘. Das klang mir lieblich in den Ohren, wie Gungls Heimatklänge. Die Benennung verriet zwar etwas derben Geschmack, aber ein Hotel mit Pariser Firma durfte man hier nicht erwarten.
„Kennst du den Wirt?“ fragte ich.
„Sogar sehr gut“, erwiderte er lächelnd. „Seine Frau ist nämlich die Schwester der meinigen.“
Das freute mich, denn ich durfte erwarten, daß die Freundschaft, welche Ibarek für uns hegte, auch auf seinen Schwager und dessen Weib übergehen würde.
Die Stadt bot – wenigstens so weit, wie wir sie jetzt erblickten – gar nichts Besonderes. Orientalische Häuser und Hütten, die ihre fensterlosen Mauern nach der Straße kehren. Armselige Bauwerke, dem Einsturz nahe. Wege, aus trockenem Schlamm bestehend, von welchem an heißen Tagen ein entsetzlicher Staub aufwirbelt, während man bei Regenwetter bis an die Knie in den Kot einsinkt. Dazu eine zigeunerhafte Staffage, schmutzige Menschen und dürres Vieh. So gleicht hier eine Stadt der andern.
Als ich mich bei irgend einer Gelegenheit umschaute, erblickte ich den Strolch, welcher an der erwähnten Ecke gestanden hatte. Er trottete langsam hinter uns her, und ich kam bei genauerer Beobachtung zu der Überzeugung, daß er uns verfolgte. Aus welchem Grund? Ich ahnte es.
Endlich deutete Ibarek auf ein großes, offenes Tor, über welchem das blutrote Bild eines Ochsen prangte.
„Da ist es!“ sagte er.
„So reitet ein! Ich werde so tun, als ob ich noch weiter ritte.“
„Warum?“
„Es läuft uns ein Kerl nach, den jedenfalls der Mübarek beauftragt hat, aufzupassen, wo wir einkehren. Diesem Menschen will ich eine hübsche Überraschung bereiten.“
Die Gefährten lenkten in das offene Tor; ich aber ritt noch eine kurze Strecke weiter.
Unser Erscheinen hatte Aufsehen erregt. Überall blieben die Leute stehen und sahen uns nach. Dennoch hatte ich unseren Verfolger im Auge behalten.
Jetzt lenkte ich um und ritt einen kurzen Bogen. Das war mir dadurch möglich, daß der Konak nicht in einer Gasse, sondern an einem kleinen offenen Platz lag. Noch standen die Menschen und blickten teils nach dem offenen Tor, meist aber nach mir. Mein prachtvoller Rappe schien ihre Aufmerksamkeit zu fesseln. Ich ließ ihn elegant kurbettieren und leitete ihn so nach der Stelle hin, an welcher der verdächtige Mensch stand.
Der Kerl hatte eine weite Hose an und eine kurze Jacke. Beide wurden durch einen Shawl vereinigt, welcher sich um die Hüften schlang.
Jetzt stieß ich jenen Pfiff aus, auf welchen mein Hengst sich in Karriere zu werfen gewöhnt war. Er gehorchte und schoß vorwärts. Ein allgemeines Geschrei ließ sich hören, und alles retirierte. Man mochte meinen, das Pferd gehe mit mir durch.
Der Spion war so in seine Aufgabe versenkt, daß er nicht auch sofort an das Ausreißen dachte. Dann aber warf er vor Entsetzen die Arme in die Luft und brüllte, was er brüllen konnte, denn er sah, daß der Rappe grad auf ihn losschoß. Vielleicht wollte er durch dieses Geschrei das Pferd abschrecken, weil es zum Fliehen nun zu spät für ihn war. Er lehnte nämlich an einer Mauer, an welcher ich im Galopp herkam.
Jetzt war ich bei ihm. Er drückte sich ganz eng an die
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