15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan
bedenklich, daß ich fürchtete, er wolle ihn mir zuschleudern. Er sah wirklich beängstigend aus.
„Nun, so werde ich dir beweisen, daß du dich dennoch irrst. Es gibt keinen einzigen Kodscha Pascha in der Welt, dem ich erlauben würde, mich seinen Gefangenen zu nennen.“
Einige rasche Schritte zu meinem Pferd und ein Sprung in den Sattel. Meine Gefährten saßen ebenso schnell auf.
„Sihdi, zum Tor hinaus?“ fragte Halef.
„Nein, wir bleiben. Ich will nur Bahn machen bis an das Tor.“
Es war, als ob der Rappe meine Absicht genau verstände. Er kurbettierte, den prächtigen Leib immer quer haltend, zu dem Tor hin und wieder zurück, schlug vorn und hinten aus und schnaubte aus den Nüstern, daß die anwesende Volksmenge eiligst Raum gab und sich furchtsam an die Mauern drückte.
„Macht das Tor zu!“ gebot der Richter seinen Khawassen.
„Wer das Tor anrührt, den reite ich über den Haufen!“ drohte ich.
Keiner der Khawassen rührte sich von der Stelle. Der Kodscha Bascha wiederholte seinen Befehl, aber ohne Gehorsam zu finden. Ich hatte die Nilpeitsche in die Hand genommen, und das sah den guten Leuten doch zu gefährlich aus.
Ich ritt so nahe an den richterlichen Beamten heran, daß der Rappe ihm in das Gesicht schnaubte. Er prallte zurück, streckte die langen, dürren Arme abwehrend aus und rief:
„Was erkühnst du dich! Weißt du nicht, wo du dich befindest und wer ich bin?“
„Das weiß ich ganz genau. Du aber hast keine Ahnung, wen du vor dir hast. Ich werde mich bei deinem Vorgesetzten beschweren, bei dem Makredsch von Saloniki. Der mag dir sagen, wie du einen vornehmen Tebdili kyjafet iledschi (einer der inkognito reist) zu behandeln hast!“
Diese in drohendem Ton ausgesprochenen Worte enthielten eine Aufschneiderei, die ich mir in Anbetracht der Umstände erlauben zu dürfen glaubte. Sie machte die beabsichtigte Wirkung, denn der alte Bascha sagte jetzt viel höflicher als vorher:
„Du bist tebdilen auf der Reise? Das habe ich nicht gewußt. Warum hast du es mir nicht gesagt?“
„Weil du dich noch gar nicht nach meinem Namen und nach meinen Verhältnissen erkundigt hast.“
„So sage mir, wer du bist!“
„Später. Erst will ich wissen, ob du mich wirklich als deinen Gefangenen betrachtest. Ich würde mein Verhalten nach deiner Antwort einrichten.“
Diese Aufforderung brachte ihn in Verlegenheit. Er, der Gebieter von Ostromdscha und Umgegend, sollte seine eigenen Worte widerrufen! Er blickte mich scheu an und zögerte mit der Antwort. Sein Kopf geriet in eine höchst bedenkliche Bewegung. Es sah aus, als ob der Hals zerbrechen würde.
„Nun, eine Antwort! Sonst reiten wir fort.“
„Herr“, sagte er, „ihr seid freilich nicht gebunden und gefesselt gewesen, darum will ich einmal annehmen, daß ihr nicht arretiert worden seid.“
„Gut, das genügt mir einstweilen. Aber laß es dir ja nicht mehr in den Sinn kommen, von dieser deiner Meinung abzuweichen. Ich würde mich beim Makredsch beschweren.“
„Kennst du ihn?“
„Ob ich ihn kenne, das geht dich nichts an. Wenn er und ich es weiß, so ist's genug. Also du hast zu mir gesandt. Daraus schließe ich, daß du mir eine Mitteilung machen willst. Ich bin bereit, sie zu hören.“
Es war spaßhaft das Gesicht zu sehen, welches er schnitt. Wir schienen die Rollen gewechselt zu haben. Ich sprach von oben herab zu ihm, und zwar nicht etwa nur bildlich, sondern auch wirklich, denn ich saß im Sattel. In seinem Gesicht stritten sich die Ausdrücke des Zornes und der Verlegenheit um die Oberhand. Er blickte ratlos hin und her und antwortete endlich:
„Du irrst. Ich habe dir nicht sagen lassen, daß ich mit dir sprechen will, sondern ich habe wirklich befohlen, euch zu arretieren.“
„Das hast du wirklich getan? Fast kann ich es nicht glauben. Ihr seid doch vom obersten Gerichtshof angewiesen, gerecht und vorsichtig zu handeln. Was war denn der Grund dieses Befehls?“
„Ihr habt einen meiner Khawassen mißhandelt, und sodann hast du einen Einwohner dieser Stadt in Lebensgefahr gebracht.“
„Hm! Ich höre, daß man dir die Sache nicht der Wahrheit gemäß berichtet hat. Wir haben einen Khawassen gezüchtigt, weil er es verdiente, und ich habe einem Einwohner dieser Stadt das Leben gerettet, indem ich ihn zu mir empor in den Sattel riß. Mein Pferd hätte ihn niedergestampft, wenn ich nicht so geistesgegenwärtig gewesen wäre.“
„Das klingt allerdings ganz anders, als es mir berichtet worden ist. Ich
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