15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan
chajir ola – guten Morgen!“ grüßte ich ihn, indem ich langsam aufstand.
„Ne is ter sen bunda? Ne ararsen bunda – was willst du hier? Was suchst du hier?“
„Seni – dich“, antwortete ich kurz.
„Beni – mich?“ fragte er kopfschüttelnd.
„Ewwet, seni – ja, dich.“
„Du verkennst mich!“
„Schwerlich. Dich erkennt man sofort.“
Er schien die Beleidigung, welche in den letzten Worten lag, gar nicht zu fühlen. Er sagte, noch immer kopfschüttelnd:
„Du bist in einem falschen Haus.“
„Nein; ich bin im richtigen.“
„Aber ich kenne dich nicht!“
„Du wirst mich kennenlernen.“
„Zu wem willst du denn?“
„Zu einem Bojadschy, welcher zugleich Etmektschi ist und Boschak heißt.“
„Der bin ich allerdings.“
„Siehst du, daß ich mich nicht irre!“
„Aber du sagtest, daß du mich sofort erkannt hast! Hast du mich bereits gesehen?“
„Nein, nie und nirgends.“
„Wie kannst du mich da erkennen?“
„An der glänzenden Würde deines Standes, welche in deinem Gesicht zu bemerken ist.“
Auch den eigentlichen Sinn dieser Worte begriff er nicht, denn er verzog dieses farbig erglänzende Gesicht zu einem breiten, wohlgefälligen Lächeln und sagte:
„Du bist ein sehr höflicher Mann, und du hast recht. Mein Stand ist ein sehr wichtiger. Ohne uns müßten die Menschen verhungern, und wir sind es auch, die jedem Kleid erst die Schönheit geben. Welchen Wunsch hast du denn?“
„Ich möchte über ein Geschäft mit dir sprechen.“
„Bist du vielleicht ein Mehlhändler?“
„Nein.“
„Oder ein Farbenhändler?“
„Auch nicht. Es ist ein anderes Geschäft, welches ich meine.“
„So sage es mir!“
„Dann, wenn du es dir bequem gemacht hast. Ziehe deinen Mantel aus und setze dich zu mir!“
„Ja, das werde ich tun. Erwarte mich hier!“
Er ging zu derselben gegenüber befindlichen Türöffnung hinaus, durch welche die Frau und die Tochter verschwunden waren. Jedenfalls gab es dort zwei Räume hintereinander, und ich hörte aus dem dumpf zu mir schallenden Lauten dreier Stimmen, daß sich die Erwähnten in dem hintersten ‚Kabinett‘ befanden.
Als er zurückkehrte, blieb er vor mir stehen und sagte:
„Im bunda. Ischtahnyz warmy? – Da bin ich. Hast du Appetit?“
„Wozu?“
„Etwas zu essen?“
„Nein“, antwortete ich, indem ich an die Spuren der Teigfinger dachte, welche er an seinen Hosen abgewischt hatte.
„Oder zu trinken?“
„Ich danke sehr!“
Der Appetit war mir infolge des Backtrogwassers und des famosen Mostes vollständig vergangen.
„Nun, so wollen wir von unserem Geschäft sprechen.“
Es ist geradezu unbeschreiblich, in welcher Weise es ihm unter vielem Ächzen gelang, mir gegenüber auf dem Boden Platz zu nehmen. Als diese Turnübung bei Ach und Krach gelungen war, legte er sein Gesicht in eine ernste, gebieterische Miene und klatschte laut in die Hände.
Ich hätte ihm beinahe in das Gesicht gelacht, als er sich damit das Ansehen eines hohen Mannes gab, welcher zu befehlen gewohnt ist. Aber das Klatschen der Hände war gehört worden, denn der stieglitzähnliche Färbergehilfe, welchen die Tochter einen schlauen und mutigen Mann genannt hatte, trat ein.
Er war jedenfalls, da er sich doch hinter dem Haus befunden hatte, durch eine Fensteröffnung unterrichtet worden, wie er sich zu verhalten habe. Er verbeugte sich mit über der Brust gekreuzten Armen und blickte seinen Herrn und Meister demütig erwartungsvoll an.
„Getir benim lülejü – bringe mir meine Pfeife!“ befahl der letztere im Ton eines Pascha mit drei Roßschweifen.
Der Sklave dieses Augenblicks gehorchte dem Befehl. Er brachte eine Tabakspfeife, welche aussah, als ob sie schon lang im Schlamm eines Karpfenteiches gelegen habe. Der Diener entfernte sich, und der Herr langte in die Hosentasche und brachte aus derselben eine Handvoll Tabak hervor, welchen er in den Pfeifenkopf stopfte. Dann fragte er mich:
„Sen mi tütün itschen? – Bist du Tabaksraucher?“
„Ewwet – ja“, antwortete ich.
Ich befand mich nun in der Angst, daß er mir eine eben solche Pfeife bringen lassen und sie aus derselben Tasche stopfen werde, fühlte mich aber angenehm enttäuscht, als er nun weiter fragte:
„Kibritler onun itschün melik ol-sen – folglich besitzt du Streichhölzer?“
„Bre kaw zabt etmez-sen – besitzt du nicht Zunder?“ erkundigte ich mich.
Der Mann hatte nämlich bei seiner Frage ein eigentümlich pfiffiges oder
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