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15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

Titel: 15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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dasselbe, was er ist. Komm, und folge mir.“
    „Als Arrestant?“
    „Natürlich! Du bist ein Mörder.“
    „Willst du mich nicht vorher fragen, wie es gekommen ist, daß ich diesen Mann verfolgt habe?“
    „Das wird morgen geschehen, sobald ich Zeit und Sammlung gefunden habe.“
    „Ich habe schon jetzt Zeit und Sammlung, morgen aber habe ich sie nicht.“
    „Das geht mich nichts an. Vorwärts!“
    Er deutete dabei mit gebieterischer Armbewegung auf den Bach. Da aber trat der kleine Halef zu ihm heran, zeigte ihm, wie es seine Gewohnheit war, die an seinem Gürtel hängende Nilpferdpeitsche und fragte:
    „Also du bist der Kiaja dieses Dorfes?“
    „Ja.“
    „Hast du schon einmal eine solche Peitsche gesehen?“
    „Oft.“
    „Hast du auch bereits eine gekostet?“
    „Wie meinst du das?“
    „O, ich meine nur folgendes: Wenn du diesem Sihdi, Effendi und Emir, welcher mein Freund und Gefährte ist, noch ein einziges unhöfliches Wort sagst, so schlage ich dir diese Peitsche um das Gesicht, daß du deine neugierige Nase für die Moschee des Sultans Murad, den Allah segnen möge, halten sollst. Glaubst du etwa, wir seien nach Kabatsch gekommen, um uns an deiner Herrlichkeit zu weiden? Glaubst du, daß wir meinen, ein Kiaja sei der prächtigste Mann des Erdkreises? Wir haben blatternarbige Stallbuben und Betrüger mit abgeschnittenen Nasen gesehen, welche schöner und ehrwürdiger waren, als du! Warum hat Allah dir krumme Beine gegeben und eine rote Warze an die Nase? Etwa um dich auszuzeichnen vor den anderen Gläubigen? Hüte dich vor meinem Zorn, und nimm dich in acht vor meinem Grimm! Ich habe noch ganz andere Kerls, als du bist, mit dieser meiner Peitsche höflich gemacht!“
    Der Kiaja war mehr erstaunt als erschrocken. Er betrachtete den Kleinen von Kopf bis zu den Füßen und fragte ihn dann:
    „Mensch, bist du etwa wahnsinnig geworden?“
    „Nein; aber wenn du einen Verrückten kennenlernen willst, so gucke hier in dieses Wasser; da wirst du dich selbst sehen. Nur ein Verrückter kann es wagen, meinen Effendi, den mächtigen Emir Hadschi Kara Ben Nemsi, grob zu behandeln.“
    „Und wer bist du?“
    „Ich bin Hadschi Halef Omar Bey, der Beschützer der Unschuldigen, der Rächer aller Ungerechtigkeit und der Herr und Meister aller Kiajas, so weit die Sonne scheint.“
    Jetzt wußte der gute Beamte wirklich nicht, wie er sich verhalten sollte. Die Aufschneiderei des Kleinen hatte Eindruck gemacht. Er wendete sich zu mir:
    „Herr, bist du wirklich ein so vornehmer Mann?“
    „Sehe ich etwa nicht so aus?“ fragte ich in strengem Ton.
    „O, du hast das Aussehen eines Emirs; aber du hast doch diesen Mann hier zu Tode gejagt.“
    „Er selbst ist Schuld daran.“
    „Warum?“
    „Er stahl mir mein Pferd, und ich verfolgte ihn, um es ihm wieder abzunehmen.“
    „Deselim aus Ismilan sollte Pferde stehlen?“
    „Glaubst du etwa nicht, was mein Effendi sagt?“ fragte Halef, indem er näher an ihn herantrat und eine sehr bezeichnende Handbewegung nach dem Gürtel machte.
    „O, ich zweifle nicht daran“, meinte der Kiaja schnell. „Aber kann der Effendi auch beweisen, daß der Rappe sein wirkliches Eigentum war?“
    „Hier ist der Beweis!“
    Dabei schlug Halef mit der Hand an die Peitsche. Ich aber deutete auf den Sahaf und sagte:
    „Frage diesen! Er weiß, daß das Pferd mein Eigentum ist.“
    „Woher soll er das wissen? Er kennt dich doch nicht; du bist ja ein Fremder!“
    „Er kennt mich und hat mich den Rappen reiten sehen.“
    „Ist das wahr?“
    „Ja“, antwortete der Sahaf, an den diese letztere Frage gerichtet gewesen war.
    Da machte mir der Kiaja eine Verbeugung und sagte:
    „Ich glaube es. Dennoch aber, Effendi, wirst du mich nach meinem Haus begleiten müssen.“
    „Als Gefangener?“
    „Nicht ganz, sondern nur halb.“
    „Gut! Welche Hälfte willst du arretieren? Die andere hat keine Zeit, mitzugehen, und wird weiterreiten.“
    Er blickte bei offenem Mund mich an. Die am andern Ufer versammelten Bewohner von Kabatsch aber ließen ein lautes Gelächter hören. Da rief er zornig zu ihnen hinüber:
    „Was habt ihr zu lachen? Ihr Menschen, ihr Untertanen, ihr Sklaven! Wißt ihr nicht, daß ich der Bevollmächtigte und der Vertreter des Sultans bin? Ich lasse euch alle einsperren und allen die Bastonade geben!“
    Und zu mir gewendet, fuhr er fort:
    „Warum machst du mich lächerlich vor meinen Leuten?“
    „Warum machst du dich lächerlich vor mir? Ist es nicht lächerlich, zu

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