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15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

Titel: 15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sagen, daß ich ein halber Gefangener sei?“
    „Deine Unschuld ist nur erst halb erwiesen!“
    „So will ich sie dir ganz beweisen!“
    „Tu es!“
    „Gern und sogleich! Siehst du dieses Gewehr und dieses Messer? Ich werde jeden, der mich verhindert, abzureisen, niederschießen oder ihm die Klinge geben. Und hier ist der andere Beweis. Kannst du lesen?“
    „Ja.“
    „So lies hier meinen Reisepaß, welcher das Siegel des Großherrn trägt!“
    Ich gab ihm das Dokument hin. Als er das Siegel erblickte, drückte er es an Stirn, Mund und Brust und sagte:
    „Effendi, du hast recht; du bist unschuldig. Du kannst reisen.“
    „Gut! Was wird mit diesem Toten geschehen?“
    „Wir werden ihn in das Wasser werfen. Die Krebse mögen ihn fressen, weil er dich beleidigt hat.“
    „Das werdet ihr nicht tun. Ihr werdet seinen Tod seinen Anverwandten melden, damit sie kommen, um ihn zu begraben. Er soll auf ehrliche Weise zu seinen Ahnen versammelt werden. Wenn ich höre, daß ihr das Gegenteil tut, werde ich es dem Oberrichter von Rumili melden.“
    „Bist du sein Freund?“
    „Was fragst du?“ antwortete Halef an meiner Stelle. „Der Rumili Kaseri askeri ist unser Freund und Verwandter. Meine Lieblingsfrau ist die Tochter seines Lieblingsweibes. Wehe euch, wenn ihr nicht gehorcht!“
    Er ging, um Rih herbeizuholen. Der Kiaja aber verbeugte sich tief und sagte zu mir:
    „Allah gebe der Lieblingsfrau deines Begleiters hundert Jahre und tausend Kinder, Enkel und Enkelkinder! Ich werde tun, was du mir befohlen hast!“
    „Das erwarte ich. Auch wirst du das Pferd des Toten und alles, was er bei sich trägt, seinen Verwandten geben.“
    „Sie sollen alles erhalten, o Effendi!“
    Ich war vom Gegenteil überzeugt. Doch ging mich das weitere ja gar nichts an. Ich konnte froh sein, unbelästigt fortreiten zu dürfen, und bestieg den Rappen, den ich fast auf eine so schmähliche Weise verloren hätte.
    Ein Pfiff – er schnellte mit einem Satz über den Bach hinüber. Die Leute stoben, vor Schreck laut aufschreiend, auseinander. Halef folgte zu Fuß nach und bestieg sein Pferd drüben.
    „Herr, wolltest du mich nicht besuchen?“ fragte der Sahaf.
    „Ja, führe uns. Ich will deinen Vater sehen.“
    Wir ritten voran, und das Volk folgte hinterher, nachdem der Kiaja einen Wächter zu der Leiche gestellt hatte. Bei dem kleinen Häuschen des Sahaf stiegen wir ab und traten ein. Das Innere der Hütte war auch in zwei ungleiche Hälften geteilt. In der größeren bemerkte ich auf dem Lager einen alten Mann, welcher uns mit den Augen bewillkommnete, ohne sprechen oder sich bewegen zu können.
    „Vater, das ist der Herr, von dem ich dir erzählt habe“, sagte der Sohn.
    Ich trat zu dem Alten, ergriff seine Hand und sprach einen freundlichen Gruß aus. Er dankte durch einen ebenso freundlichen Blick seiner Augen. Das Lager war reinlich, und der Alte zeigte eine hier nicht gewöhnliche Sauberkeit. Das freute mich. Ich fragte ihn:
    „Kannst du meine Worte verstehen?“
    Er nickte mit dem Auge.
    „Ich bin gekommen, um den ehrwürdigen Vater eines guten Sohnes zu sehen und Ali glücklich zu machen.“
    Sein Blick nahm einen fragenden Ausdruck an, darum fuhr ich erklärend fort:
    „Er liebt Ikbala, die schönste der Töchter in Rumili. Ihr Vater will sie ihm nicht geben; aber ich werde ihn zwingen, es zu tun. Ali wird mich jetzt zu ihr begleiten.“
    „Herr, ist's wahr, ist's wahr?“ fragte der Sahaf rasch.
    „Ja.“
    „Hast du mit ihr gesprochen?“
    „Auch mit ihrer Mutter und mit ihrem Vater.“
    „Was hat sie und was hat er gesagt?“
    „Sie haben beide ‚Ja‘ gesagt, aber der Bäcker sann auf Betrug und Verrat. Ich werde es dir nachher erzählen. Jetzt aber zeige mir deine Uhr!“
    „Willst du nicht vorher etwas genießen?“
    „Ich danke dir. Wir haben nicht viel Zeit. Ich muß schnell wieder zurückkehren.“
    „So komm heraus!“
    Er führte mich in die kleinere Abteilung, in welcher ein Tisch stand, hier eine Seltenheit. Auf demselben erblickte ich das Kunstwerk.
    „Das ist es“, sagte er. „Sieh es dir an.“
    Das Zifferblatt fehlte noch. Die Räder waren aus Holz geschnitzt, mit der Hand, gewiß eine mühsame Arbeit.
    „Weißt du, worin die Kunst liegt?“ fragte er.
    „Ja“, antwortete ich, auf die betreffende Zeigerführung deutend. „Hier ist's.“
    „Ja, du hast es erraten. Diese Uhr wird nicht nur die Stunden, sondern auch die Minuten anzeigen. Hast du schon so eine Uhr gesehen?“
    „O weh,

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