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15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan

Titel: 15 - Im Schatten des Grossherrn 04 - In den Schluchten des Balkan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Richtung rechterseits dem Bach entgegen, den er vorher hatte vermeiden wollen. Weiter unten kam auch Halef zum Vorschein, welchem nichts übrig geblieben war, als gleichfalls umzukehren.
    Nun folgte ich dem Fliehenden hart auf der Fährte. Er befand sich vielleicht fünfzig Pferdelängen vor mir und trieb den Rappen mit dem Sporn an, was dieser nicht gewohnt war. Rih bäumte auf und verweigerte den Gehorsam.
    „Rih, waggif, waggif, ugaf – Rih, halt, halt, halt!“ rief ich, in der Hoffnung, daß der Klang meiner Stimme das brave Pferd zur Fortsetzung seines Widerstandes bewegen werde. Aber der Ismilaner schlug es mit dem Gewehr auf den Kopf, daß es, laut aufwiehernd, wieder vorwärts schoß, ich natürlich hinterdrein.
    Der Rappe griff mächtig aus. Die Entfernung zwischen uns begann zu wachsen. Es war augenscheinlich, daß der geängstigte Reiter über den Bach setzen wollte, das letzte Mittel, zu entkommen. Gelang ihm der kühne Sprung, so war mir mein Rappe verloren, wenn ich nicht noch zur Büchse griff. Ich nahm sie also wieder auf und legte an.
    So brausten wir vorwärts. Im Augenblick, in welchem der Ismilaner drüben glücklich ankäme, wollte ich feuern. Noch fünf – vier – drei Pferdelängen war er vom Ufer entfernt. Rih griff mit den Hinterhufen vor die Vorderhufe und schoß in einem hocheleganten, weiten Bogen hinüber; der Reiter verlor Bügel und Sattel, schlug mit fürchterlicher Gewalt zur Erde nieder und blieb da unbeweglich liegen.
    Ich hatte keine Zeit mehr, mein Pferd zu zügeln; es befand sich im rasenden Lauf. Es hatte eine schlechte Schulung, war aufgeregt und wäre mir doch in den Bach gerannt, um Hals und Beine zu brechen. Ein lauter, aufmunternder Zuruf von mir – es machte den Sprung, gelangte zwar hinüber, stolperte aber und überschlug sich.
    Der Sattel, in welchem ich saß, war ein arabischer Serdsch mit hoher Vorderlehne und noch höherer Rückenlehne. Diese Sitze sind zwar bequemer als die englischen, aber auch gefährlicher, falls das Pferd zum Sturz kommt. Ich wagte bei dem Sprung über den Bach das Leben; das hatte ich gewußt. Darum zog ich während des Zurufes, mit welchem ich das Pferd ermunterte, die Füße aus den Schuhen, welche als Steigbügel dienten, stemmte mich, indem ich die Zügel behielt, mit beiden Händen auf die Brustlehne, hob mich über die Rückenlehne hinüber, so daß ich mit dem rechten Bein hinter dieselbe zum Knien kam, und warf mich, als das Tier ins Stolpern geriet, von dem Rücken desselben herab.
    Dieses Manöver wurde mir durch die Büchse erschwert; es gelang nicht so glatt, wie es bei einem andern Sattel der Fall gewesen wäre, und ich kam zum Sturz, so daß ich für einige Augenblicke bewegungslos liegenblieb.
    „Allah il Allah!“ rief der kleine Halef hinter mir. „Sihdi, lebst du noch, oder bist du tot?“
    Ich lag so, daß ich ihn sehen konnte. Er war nur wenig mehr vom Rand des Baches entfernt und wollte sein Pferd zum Sprung antreiben. Er konnte den Hals brechen. Das gab mir augenblicklich die Bewegungsfähigkeit wieder. Ich erhob warnend den Arm und rief:
    „Bleib drüben, Halef! Sei nicht dumm!“
    „Dem Propheten sei Dank!“ antwortete er. „Er hält mich für dumm; er ist also noch nicht tot.“
    „Nein; ich bin nur tüchtig hier aufgeschlagen.“
    „Hast du etwas gebrochen?“
    „Ich glaube nicht. Wollen sehen!“
    Ich raffte mich auf und streckte mich. Meine Glieder waren ganz, aber der Kopf brummte wie eine Baßgeige. Halef stieg vom Pferd, kletterte die Uferböschung herab und sprang über das Wasser herüber. Dieses war nicht breit; nur daß es so tief zwischen weiten steilen Ufern floß, machte den Sprung im Sattel so gefährlich.
    „Allah ist groß!“ meinte der Hadschi. „Das war eine Hetzjagd! Ich hätte nicht geglaubt, daß wir mit unsern beiden Pferden deinen Rih erreichen würden.“
    „Er hatte einen schlechten Reiter.“
    „Ja, dieser Mann saß auf dem Pferd wie der Affe auf dem Kamel, wie ich es in Stambul gesehen habe bei einem Mann, der einen Bären sehen ließ. Dort steht Rih. Ich werde ihn holen.“
    Der Rappe stand ruhig und ließ sich die saftigen Grashalme schmecken. Es war ihm keine Anstrengung anzusehen, während das Pferd des Ismilaners, welches ich geritten hatte, schnaubend und mit schlagenden Flanken neben uns hielt. Es hatte sich wieder aufgerafft und keinen Schaden gelitten. Nur die Lehnen des Sattels waren zerbrochen, während es sich überschlug.
    „Laß ihn stehen!“ antwortete

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