1502 - Am Abgrund zur Hölle
schimmernden Knochen, Gebeinen und Totenschädeln. Eine Erklärung brauchte sie mir nicht zu geben. Was für sie der Abgrund zur Hölle war, war für mich der alte Druidenfriedhof, um den sich letztendlich alles drehte…
***
Die Banshee ließ mich in Ruhe schauen, und so verging einige Zeit, bis sie mich wieder ansprach.
»Weißt du nun, wo du stehst?«
»Ja, ich denke schon.«
»Es ist der Mittelpunkt.«
»Der alte Friedhof, nicht wahr?«
»Ja. Hier wurden über lange Zeiten hinweg die Druiden bestattet, bevor ihre Seelen in das Paradies wanderten.«
»Heißt das Paradies vielleicht Aibon?«
Nach dieser Frage hatte ich die Banshee zunächst mal sprachlos gemacht. »Du weißt sehr viel«, sagte sie mit leiser Stimme. »Aber du hast recht, es ist Aibon.«
»Na, das freut mich. Mir jagt der Gedanke daran allerdings keine Furcht ein«, sagte ich.
»Das ist selten. Viele, die den Namen kennen, fragen, wer sich dahinter verbirgt.«
Ich kam wieder auf den Platz vor mir zu sprechen und sagte: »Und dieser Friedhof darf also nicht zerstört werden?«
»So ist es.«
»Und warum nicht?«
»Es ist ein Heiligtum. Wer sich daran vergreift, wird den Tod in seiner schrecklichsten Art erleben. Diese geweihte Stätte muss bleiben, aber darauf haben die Menschen keine Rücksicht genommen, und deshalb wird unsere Rache sie treffen.«
Schon wieder hatte sie in der Mehrzahl gesprochen, und ich fragte sie: »Du bist nicht allein?«
»Nein, ich habe Verbündete die auch meinen Ruf hörten. Sie sind erwacht und werden noch in dieser Nacht hier erscheinen. Und niemand kann sie stoppen - niemand.«
Nach dem letzten Wort veränderte sich meine Umgebung. Der Schein, der die Banshee umgab, begann zu wandern. Er wurde noch heller. Für mich war es ein Zeichen, dass sie näher an den Abgrund des Friedhofs getreten war.
Ein ungutes Gefühl überkam mich.
Ich drehte mich um und musste feststellen, dass ich zu lange gewartet hatte.
Der plötzliche Stoß erwischte mich zwar nicht allzu fest, aber es konnte sein, dass ich gerade in diesem Moment auf dem falschen Bein gestanden hatte. Jedenfalls trat ich nach hinten, und dabei ging ich einen Schritt zu weit.
Plötzlich gab es keinen Widerstand mehr unter meinem rechten Fuß. Ich rutschte noch mit der Sohle am Rand der Abgrunds ab und landete kaum zwei Sekunden später in dieser Ansammlung alter Druidengebeine…
***
Ich war sauer, denn ich hatte mir so vorgenommen, mich nicht überraschen zu lassen. Jetzt war es trotzdem geschehen, und mein Fluch wurde von dem Knacken und Brechen übertönt, das entstand, als ich in den Knochenhaufen fiel.
Es war keine weiche Landung, obwohl die Gebeine brüchig waren und mir nur einen geringen Widerstand entgegensetzten. Es war auch kein Spaß, in diesem Knochenhaufen zu landen. Nun, ändern konnte ich es nicht mehr, und so schwamm ich zunächst zwischen dem morschen Gebein aus alten Druidenzeiten.
Ich hatte beim Fall noch mit den Armen gerudert und einige Gebeine zur Seite geschleudert. Andere rollten dafür nach, und dass ich halb lag und auch saß, gefiel mir ebenfalls nicht.
Aus meiner Position schaute ich nach oben auf die Gestalt der Banshee, die ihren Platz am Abgrund der Hölle nicht verlassen hatte und natürlich in die Tiefe schaute, weil sie sehen wollte, was mit mir passiert war.
Sie hatte dabei ihren Spaß, denn ich sah, dass sich ihre Lippen zu einem Lächeln verzogen. In den Augen schien der Triumph zu blitzen, und sie streckte beide Arme aus.
Ich hatte keine Lust, in dieser für mich nicht akzeptablen Haltung zu bleiben und stand auf, was leider ein mühseliges Unterfangen war. Beim ersten Abstützen brach unter meiner Hand knirschend ein Schädel zusammen. Ich hatte Glück, dass ich mir an den scharfen Knochenrändern nicht die Haut aufschnitt.
Ich versuchte dann, ohne die Hilfe meiner Hände auf die Beine zu gelangen, und das klappte schon beim ersten Versuch.
So stand ich zwischen den Gebeinen und stellte fest, das ich aus dieser Knochenmulde recht leicht wieder hinaussteigen konnte.
Aber da stand noch die Banshee.
Ich hatte sie bisher nicht anfassen können. Sie aber hatte mich durch den Stoß getroffen, und so rechnete ich damit, dass sie in der Lage war, ihren Zustand in Sekundenbruchteilen zu wechseln.
Sie schaute auf mich herab. Das Lächeln auf ihren Lippen war geblieben.
»Wie geht es jetzt weiter?«, fragte ich sie.
»Das wirst du gleich erleben. Ich habe von der Nacht der Rache gesprochen. Ich habe dir
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