1502 - Am Abgrund zur Hölle
Suko sah sehr schnell, dass sich die beiden nicht mehr bewegten.
Standen sie am Ziel?
Er ging davon aus. Aber er wollte sicher sein und stellte Earl Digger mit leiser Stimme die Frage: »Warum haben sie angehalten?«
Diggers Antwort war leicht ächzend. »Weil sie angekommen sind, verflucht.«
»Und wo?«
»Am Friedhof.«
»Dort, wo du auch gewesen bist?«
»Ja.«
»Und was genau hast du da gesehen?«
»Alles«, stöhnte er. »Die Gebeine, die Totenschädel, ich habe alles gesehen.«
»Auch Gestalten, die leben?«
»Nein, aber sie werden kommen. Imelda hat davon gesprochen. Sie würde Hilfe aus einer anderen Welt bekommen. Die hat ihr ein mächtiger Druidenfürst versprochen. Er wird seine Soldaten schicken, die dann mit ihrer Rache beginnen und jeden töten, der versucht hat, diese Welt hier zu verändern. Da kennen sie keine Gnade. Die Zerstörer müssen selbst zerstört werden. Die Menschen hier sollen mehr Respekt bekommen.«
»Aber nicht durch Tote.«
»Das ist egal.«
Digger war verbohrt, das hatte Suko inzwischen begriffen. Dennoch gab Suko ihm keine Schuld daran, was hier geschah. Earl Digger hatte nichts freiwillig getan, das stand fest, und so konnte Suko ihm auch keinen Vorwurf machen.
Aber er verließ sich ebenfalls auf sein Gefühl, und das schickte ihm eine Botschaft. Es war unklug, sich noch länger an diesem Ort aufzuhalten.
Er war hier einfach zu weit von dem Geschehen entfernt, und deshalb gab er Earl einen Stoß.
»Was ist denn?«
»Geh weiter.«
»Zum Friedhof?«
»Wohin sonst?«
»Und dann?«
»Wirst du schon sehen…«
Earl Digger wusste, dass ihm keine andere Wahl blieb, als zu gehorchen. Den Arm wollte er sich auf keinen Fall brechen lassen, und das konnte bei diesem verdammten Griff leicht geschehen.
»Und keinen Laut!«, warnte Suko ihn noch. »Es kommt ganz allein auf dich an, ob du überlebst oder nicht.«
»Ich schon. Aber ihr werdet sterben.«
Der Inspektor gab darauf keine Antwort. Er registrierte nur, dass Digger sich noch immer unter dem Einfluss der Banshee befand. Der würde wohl erst verschwinden, wenn es diese Hexe nicht mehr gab. Noch war sie vorhanden, deutlich zu erkennen an der gelbgrünen Lichtglocke, die sie wie ein Vorhang umgab.
Auch John geriet in sein Blickfeld. Er stand von Imelda versetzt, die sich plötzlich bewegte. Es war nur ein Huschen, nicht mehr, doch sie erreichte damit ihr Ziel.
Suko zuckte für einen Moment zusammen, als er seinen Freund in Bewegung sah. Einen Atemzug später war er verschwunden, und Suko hörte das harte Knirschen.
John blieb weg!
Für einen winzigen Moment war Suko erstarrt. Dann wandte er sich abrupt an Earl Digger, um die Wahrheit zu erfahren.
»Was ist da passiert?«
Digger kicherte, was Suko gelassen hinnahm, denn er erhielt gleich darauf die Antwort.
»Er ist auf dem Friedhof gelandet. Er liegt in dem Massengrab zwischen all den Gebeinen. Er hat den Abgrund der Hölle schon überwunden. Jetzt kann ihm keiner mehr helfen.«
Suko war nicht der Mensch, der so etwas einfach hinnahm. Er musste versuchen, seinen Freund aus dieser verdammten Knochengrube hervorzuholen, denn die Banshee würde es nicht tun.
Suko stieß Earl Digger vor. Er war jetzt gezwungen, schneller voranzukommen. Um das zu erreichen, lockerte Suko den Griff an Diggers Arm ein wenig, was dem Mann gut tat.
Ihr Ziel rückte näher, und so war es kein Wunder, dass beide die Geräusche hörten, die vor ihnen aufklangen. Es hörte sich fast an, als würde jemand auf Knochen schlagen. Gebeine zersplitterten, und es hätte Suko nicht gewundert, wenn plötzlich irgendwelche Teile aus der Grube in die Höhe geschleudert worden wären.
Und wieder redete die Banshee. Nur waren Suko und Earl jetzt so nah, dass sie etwas verstehen konnten. Was er hörte, konnte dem Inspektor nicht gefallen.
Sie sprach von den Druiden, der Name Guywano fiel, und dann schrillte es in Sukos Kopf Alarm.
John war für ihn nicht zu sehen. Da musste er schon näher an ihn herankommen und in die Grube schauen. Davor jedoch stand die Banshee, und an ihr musste er erst einmal vorbei.
Er ging direkt mit seinem Gefangenen auf sie zu. Die Gestalt drehte sich nicht um. Innerhalb des hellen Lichts fühlte sie sich sicher wie in einem Kokon. Suko spürte bereits ihre Ausstrahlung, die etwas Böses an sich hatte.
»Dreh dich um!«, fuhr er sie an, als er nahe genug bei ihr war.
»Umdrehen!«
Imelda schrak zusammen.
Aber sie gehorchte.
Innerhalb des Lichts bewegte sie sich
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