1505 - Der blinde Blutsauger
hatten.
Es war alles klinisch sauber. Da gab es Peitschen an den Wänden und auch andere Instrumente, dessen Beschreibung ich mir hier verkneife.
Masken der unterschiedlichsten Art und Formen hingen an den Wänden.
Es war ein Metallstuhl mit allerlei Funktionen vorhanden. In einem offenen Schrank hing die Latexkleidung in verschiedenen Farben, wobei schwarz und rot überwog. Wir sahen auch entsprechende Dessous, aber das alles lief wie ein schnell gedrehter Film vor meinen Augen ab, denn etwas anderes interessierte mich viel mehr.
Dieser Raum hatte einen Mittelpunkt, der wirklich nicht übersehen werden konnte.
Es war ein Käfig. Ein Viereck aus glänzenden Stahlstäben, so hoch, dass auch ich darin hätte aufrecht stehen können. Zu uns hin gelegen sah ich die Tür aus Stäben, die allerdings verschlossen war. Im Käfig stand eine zweisitzige Metallbank, und sie war besetzt. Auf ihr saß eine Frau! Bekleidet war sie mit einem Bikini aus dunkelrotem Latex-Material.
Sie hielt den Oberkörper nach vorn gedrückt und dabei den Kopf gesenkt. Die Hände lagen auf den Oberschenkeln, deren Haut ebenso weiß war wie die des gesamten Körpers. Das Haar war kurz geschnitten und lag auf ihrem Kopf wie eine Kappe.
»Nun ja, das ist Eve«, erklärte Corti mit einer kratzigen Stimme. »Sie macht ihren Job gern, das möchte ich Ihnen noch sagen. Niemand hat sie dazu gezwungen. Sie lebt dafür, und immer dann, wenn ich sie brauche, lasse ich sie kommen. Noch mal, sie hat Spaß an ihrer Arbeit.«
Suko stieß ein knappes Lachen aus. »Und um uns das zu sagen, haben Sie uns herkommen lassen?«
»Nein, das war nicht der Grund. Sie werden es gleich sehen. Warten Sie einen Moment.«
»Wie Sie meinen.«
Corti ging auf den Käfig zu. Er umfasste mit beiden Händen die Stangen und brachte seinen Kopf näher an den Käfig heran.
»He, Eve, ich bin es. Ja, ich will mit dir sprechen. Zeig mir, dass du mich hören kannst.«
Sie hatte ihn gehört, denn sie bewegte sich. Zuerst sah es aus, als wollte sie aufstehen, dann aber hob sie nur den Kopf an und schaute nach vorn. Corti trat zur Seite, damit wir sie besser sehen konnten, und in Suko und mir zog sich etwas zusammen, denn mit dieser Überraschung hatten wir nicht gerechnet.
Eve hielt die Augen offen. Beide waren dunkel, aber auch auf eine bestimmte Art und Weise starr, einfach leblos.
Es gab keinen Zweifel: Eve war blind!
***
Wir standen da und sagten erst mal nichts, denn damit hatten wir beide nicht gerechnet. Auch Corti sprach uns nicht an. Er ließ uns erst mal in Ruhe, damit wir mit dem fertig wurden, was wir hier zu sehen bekamen.
Das war schon ein Hammer.
Da Corti zur Seite getreten war, musste ich den Kopf drehen, um ihn anschauen zu können. Ich wollte Sicherheit haben und fragte ihn: »Ist diese junge Frau wirklich blind?«
»Das ist sie, wie Sie sehen können.«
Ich räusperte mich, bevor ich sagte: »Sie haben also eine blinde Person genommen, um die Männer hier…«
»Moment!« Seine Stimme klang plötzlich scharf. »So dürfen Sie das nicht sehen. Niemand hat Eve dazu gezwungen. Ich kann Ihnen schwören, dass sie es feiwillig und auch gern getan hat. Darüber brauchen Sie sich keine Gedanken zu machen. Es ist ihr auch nie ein Leid geschehen. Ich habe Eve sogar bei manchen Festen als Pianistin engagiert, denn sie beherrscht das Instrument meisterhaft. Es ist wirklich alles im grünen Bereich. Sogar Ihr Chef hat sie schon spielen gehört.«
»Wunderbar«, sagte Suko. »Dann frage ich mich wirklich, was wir hier sollen und warum Sie die Frau in einen Käfig gesperrt haben.«
»Zur Sicherheit.«
»Ach.«
»Ja, zu ihrer eigenen und zur Sicherheit der Besucher, denn Eve hat sich verändert.«
Das hörte sich schon anders an. Es würde also noch der große Nachschlag kommen. Bisher war nichts Verdächtiges zu sehen, aber Alfonso Corti wusste genau, was er tat.
»Warten Sie einen Moment. Sie ist noch etwas schwach. Es ist wohl nicht ihre Zeit.«
»Vielleicht doch«, sagte ich, weil ich das Zucken des Körpers gesehen hatte.
Auch Corti hielt inne. »Okay, wir haben Glück, glaube ich.«
Bisher wussten weder Suko noch ich genau, was wir hier eigentlich sollten. In den folgenden Sekunden allerdings wurden wir aufgeklärt. Da schien die blinde Frau endgültig wahrgenommen zu haben, dass sich jemand in ihrer Nähe aufhielt. Ihr Erwachen begann mit einem sehr komischen Laut, den sie in ihrer Kehle produzierte. Es hörte sich an wie ein Knurren, das besser zu
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