1505 - Der blinde Blutsauger
schnellen Bewegung richtete ich mich auf. Die sitzende Position kam mir entgegen, denn so konnte ich an die schmale Leuchte in meiner Tasche gelangen.
Schnell hatte ich sie hervorgeholt. Der Kest war ein Kinderspiel. Ich schaltete sie ein und ließ den Lichtbalken nicht erst groß wandern, sondern drehte die Lampe sofort in die richtige Richtung.
Treffer!
Der Vampir hockte ebenso am Boden wie ich. Wir saßen uns sogar schräg gegenüber. Ich schaute ihn an, er glotzte auf mich. Es war tatsächlich ein Glotzen, anders konnte man den Ausdruck seiner toten Augen nicht bezeichnen. Und mir wurde jetzt auch klar, dass ich den blinden Blutsauger zum ersten Mal zu Gesicht bekam.
Mir fielen bei ihm die weißen Augen auf. Seine Haut wirkte im Gegensatz dazu dunkler. Er hatte auch dunkle Haare, was wohl auf die meisten Wiedergänger zutraf, und er hatte sich auch in eine dunkle Kleidung gehüllt, die wie ein Umhang aussah. In den weißen Augen sah ich ein kleines Netzwerk aus roten Äderchen, und aus dem weit geöffneten Mund unter der dicken Nase ragten die beiden Blutzähne wie angespitzte Stifte aus dem Oberkiefer hervor.
Wo ihn mein Kreuz erwischt hatte, sah ich nicht, aber er hatte Probleme.
Da er mich nicht mehr angriff, ging ich davon aus, dass er nicht mehr lange existieren würde.
Aber er kämpfte noch.
Er bewegte seinen Mund zuckend. Er schüttelte dabei auch den Kopf, und aus seinem Rachen drangen gurgelnde Geräusche. Immer wieder zuckte sein Körper, und es sah so aus, als wollte er auf die Beine kommen, doch so viel Kraft steckte nicht mehr in ihm.
Der blinde Blutsauger fing an, sich zu verändern. Und die Veränderung begann in den Augen. Bisher hatte ich die Adern nur als dünne Fäden gesehen. Das blieb nicht so. Sie bekamen Nachschub, sie quollen auf, sie wurden dick - und dann platzten sie.
Es war ein scheußliches Bild, als sich das in ihnen befindliche Blut in den beiden Augen verteilte, deren Höhlen natürlich nicht genug Platz dafür boten. So quoll die Masse aus ihnen hervor und rann als blutiger Tränenstrom an seinen Wangen herab. Das Blut sickerte von den Seiten her in das offene Maul hinein, und all das wurde mir im Licht meiner kleinen Leuchte präsentiert.
Ich drehte die Lampe nicht zur Seite. Ich wollte Zeuge sein, dass der Blutsauger auch wirklich verging.
Das Blut strömte weiter, und ich konnte mit ansehen, wie sich auch sein Gesicht veränderte. Bisherhatte es sich mit einer normalen Haut präsentiert, das war nun vorbei, denn unter dem Haaransatz und von der Stirn her begann die Haut zu welken.
Es war perfekt. Ein Maskenbildner für einen Horrorfilm hätte es nicht besser machen können, und mir wurde zugleich der Beweis geliefert, dass es sich um einen sehr alten Vampir handelte.
Als Mensch wäre er längst vermodert, als Blutsauger hatte er die Zeiten überstanden, aber damit war es jetzt vorbei, denn er holte den Vorgang der Verwesung in einem Zeitraffertempo nach.
Die graue Haut hatte keine innere Spannung mehr. Sie ribbelte zusammen, verlor ihre Kraft, und sie veränderte sich so, dass sie als Staub dem Boden entgegenrieselte.
Ich sah die blanken, bleichen Knochen, aber ich sah noch mehr, denn jetzt waren auch seine Hände an der Reihe. Auch deren Haut zog sich zusammen und rieselte als Staub zu Boden. Ein paar Fetzen klebten noch daran, als er in einer letzten Bewegung seine Arme anhob und die Knochenfinger spreizte. Er zielte mit ihnen auf mein Gesicht, als wollte er dort die Haut aufreißen.
Die Entfernung zwischen uns war aber zu groß. Er konnte mich nicht erreichen, und ich wollte es natürlich auch nicht. Dafür schaute ich zu, wie seine Gestalt anfing zu zittern. Kurz danach fiel der blinde Blutsauger zurück. Ich beobachtete es im Strahl der Lampe und hörte es dann knacken, als er zu Boden stürzte.
Es war endgültig vorbei. Es war aus. Ich leuchtete ihn weiter an. Er trug einen langen Umhang, unter dessen Stoff sich die Verwandlung weiter fortsetzte. Es gab keinen Widerstand mehr, und so sank der Stoff allmählich zusammen.
Das Gesicht des Blutsaugers war nicht mehr vorhanden. Bleiches Gebein, bedeckt mit Staub, war an der rechten Seite durch den Aufprall zusammengebrochen. So war der Kopf nur noch zur Hälfte vorhanden, und unter dem Umhang knirschten auch die letzten Reste des Skeletts, bevor sie zu Asche zerfielen. Es hörte sich an wie eine makabre Musik.
Dann war es endgültig vorbei.
Aber nicht für mich, denn ich hörte an der Tür ein Geräusch,
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