1505 - Der blinde Blutsauger
einem Tier gepasst hätte. In den Augen passierte nichts, dafür riss sie plötzlich ihren Mund auf und gab einen Schrei von sich.
Der erschreckte uns zwar leicht, lenkte uns aber nicht von den eigentlichen Dingen ab.
Wir starrten auf den Mund und sahen die beiden spitzen Zähne aus dem Oberkiefer ragen.
Es gab keinen Zweifel.
Eve war ein Vampir!
Jetzt hatten wir doch noch unsere Überraschung bekommen und kannten auch den Grund, weshalb wir geholt worden waren. Eve war nicht nur blind, sondern auch eine Blutsaugerin, und sie nahm unsere Nähe wahr und damit auch das warme Blut, das in unseren Adern floss.
Da musste einfach die Gier in ihr erwacht sein.
Beide hielten wir den Atem an und waren zunächst nicht in der Lage, etwas zu sagen. Sofort stellte sich uns die Frage, warum und wieso Corti hier einen weiblichen Blutsauger beherbergte. Eine wie Eve wollte Blut trinken und keine Spielchen treiben. So musste man das einfach sehen.
Aber hier war es umgekehrt. Oder konnten wir davon ausgehen, dass Conti alles über den Kopf gewachsen war?
Wir hörten seinen schweren Atem und sahen, dass sich der Schweiß auf seinem Gesicht vermehrt hatte. Bevor er reden konnte, übernahm ich das Wort.
»Jetzt ist uns klar, dass Sie mit dem Phänomen nicht allein zurechtkommen.«
»Danke…«
Ich winkte ab. »Sie brauchen sich nicht zu bedanken, Mr Corti, eine Erklärung wäre uns lieber.«
»Natürlich, aber ich muss mich auch erst fangen, wenn Sie verstehen. Das ist alles so ungewöhnlich.« Er räusperte sich. »Es lief ja alles normal. Wenn ich Eve anrief, kam sie, das war kein Problem.«
»Als Blutsaugerin?«, fragte Suko.
»Nein, normal.«
»Ich sehe sie anders.«
»Das stimmt schon. Es ist auch noch nicht lange her, da tauchte sie in diesem Zustand auf. Sie benahm sich wie immer. Ich war dann mit ihr hier allein, und plötzlich merkte ich die Veränderung. Ich dachte, eine Welt bricht zusammen, und ich habe sofort gewusst, dass diese beiden Zähne echt sind.«
»Wollte sie nicht Ihr Blut?«
»Was denken Sie denn, Mr Sinclair«, erwiderte er mit einer schrillen Stimme. »Natürlich sollte ich zu ihrem Opfer werden, aber ich bin es nicht geworden, weil ich großes Glück hatte. Die Tür zum Käfig stand offen, und als mich die Person angriff, da habe ich reflexartig reagiert. Es gelang mir, sie so zurückzustoßen, dass sie in den Käfig hineintaumelte. Bevor sie sich fangen konnte, habe ich die Tür zugerammt und sie augenblicklich abgeschlossen. Befreien kann sie sich nicht. Die Stangen bestehen aus hartem Stahl, da hat sie keine Chance.« Er atmete auf.
»Es war das größte Glück meines Lebens.«
Corti schüttelte den Kopf.
»Sie können sich vorstellen wie mir zumute war. Ich sitze hier mit einer Blutsaugerin im eigenen Haus. Was sollte ich tun? Ich bin kein van Helsing, der mit einem Eichenpflock daherkommt und ihn ihr in die Brust rammt. Da habe ich mich eben an Sir James erinnert. Ich weiß ja, mit welchen Fällen sich seine Abteilung beschäftigt und bin nun froh, dass Sie beide den Weg zu mir gefunden haben. Was Sie hier sehen, ist wirklich kein Spaß. Eve ist zu einer echten Blutsaugerin geworden. Ich will gar nicht daran denken, welches Unheil sie hier hätte anrichten können.«
»Das stimmt«, gab ich zu. »Da haben Sie wirklich verdammtes Glück gehabt.«
»Das kann man laut sagen. Und jetzt muss ich Ihnen den Fall übergeben, das ist doch etwas für Sie.«
Ich stimmte durch mein Nicken zu, stellte zugleich allerdings auch eine Frage.
»Haben Sie schon mal überlegt, wie Eve zu einem Vampir hat werden können?«
Er hob die Schultern und kratzte sich am linken Ohr. »Ja und nein. Irgendwie habe ich das alles noch nicht begreifen können, und so ergeht es mir noch immer. Ich stehe weiterhin vor einem Rätsel. Ich kann mir das alles einfach nicht erklären.«
»Dabei ist es so leicht«, sagte Suko.
»Für Sie vielleicht.«
»Nein, auch für Sie. Ich will es Ihnen erklären. Eve hat doch nicht bei Ihnen gelebt - oder?«
»Das hat sie nicht. Ich musste sie holen.«
»Woher?«
Der Mann bewegte seinen Mund, ohne etwas zu sagen. Schließlich murmelte er: »Aus einem Blindenheim.«
»Ach!« Suko war überrascht. »Das ist ja ein Hammer. Aber andererseits auch normal, wenn man darüber nachdenkt.«
»Ja, und ich muss Ihnen sagen, dass ich als Sponsor das Heim auch unterstütze. Deshalb bin ich ja auf sie gekommen. Es lag an meinen zahlreichen Besuchen dort.«
»Gut, das zum einen.« Ich
Weitere Kostenlose Bücher