1505 - Dorina, die Friedensstifterin
Ixmun und arbeitete auf einer Meeresfarm. Das Haus schien regelrecht geschrumpft zu sein. Der Garten auch. Alles war kleiner als früher.
Das ist ganz normal, dachte Dorina. Ich bin gewachsen, und nur dadurch kommt dieser Eindruck zustande.
Aber da war noch etwas anderes, und das hatte nichts mit ihrer Größe zu tun: Sie sah alles grau in grau. Sie versuchte zwar, sich einzureden, daß auch das ein subjektiver Eindruck war - der Tod des Slucks hatte eine große Traurigkeit in ihr ausgelöst - aber allmählich kam sie dahinter, daß es an ihren Eltern lag.
Sie stritten sich nicht mehr. Aber das bedeutete nicht, daß sie sich jetzt besser verstanden, sondern sie redeten ganz einfach nicht mehr miteinander. Das war schlimmer als der ärgste Streit, und es übertrug sich auch auf die anderen und vergiftete das Arbeitsklima auf der Farm.
Wozu war sie eine Schülerin von Hajmayur? Wozu taugten all die Übungen, wenn sie sie nicht anwendete?
Aber wenn sie nun eine falsche Kette zusammensetzte?
Am Abend setzte sie sich mit Segur und Warna zusammen und redete mit ihnen. An verschiedenen Zeichen erkannte Dorina, daß die beiden sich sonst auch hier im Haus aus dem Weg gehen zu pflegten.
Nur ihrer Tochter zuliebe spielten sie Theater und gaben sich den Anschein, als sei alles ganz normal.
Ihre Tochter - das war der Schlüssel zu dem, was jetzt hier auf der Farm geschah. Segur und Warna gaben sich gegenseitig die Schuld daran, daß Dorina schon so früh aus dem Haus gegangen war. Sie hatten sich so hoffnungslos in völlig widersinnige Argumente verstrickt, daß sie aus eigener Kraft keinen Ausweg mehr finden konnten.
Dorina war angesichts dieses Problems ziemlich verblüfft. Sie war lange genug in Hajmayur, um zu wissen, aufweiche Weise andere Linguiden in bezug auf diese spezielle Schule reagierten: Sie scheuten weder Zeit noch Mühe, um ihre Kinder dort unterzubringen. Auf jeden Schüler, den man aufnahm, kamen viele tausend, deren Talent für nicht ausreichend befunden wurde.
Aber schließlich begriff sie, daß sie selbst die negative Einstellung ihrer Eltern verschuldet hatte.
Von diesem Moment an war ihr endgültig klar, daß sie etwas unternehmen mußte.
Für einen Augenblick sah sie Surath vor ihrem inneren Auge - und Virram, wie er zusammengekrümmt auf der Bank in Garyos Arbeitszimmer gesessen hatte. Sie spielte mit dem Gedanken, die Entscheidung hinauszuschieben, Garyo anzurufen und mit ihm zu sprechen. Sie wäre sogar bereit gewesen, ihn ganz offiziell um Hilfe zu bitten.
Aber sie wußte schon im voraus, was er sagen würde.
Die Angst ließ sich nicht abschütteln, wohl aber beherrschen. Sie lenkte das Gespräch auf die Schule. Sie war sehr vorsichtig, behutsam und sanft. Und als sie fertig war, gingen Segur und Warna in ihr Zimmer hinauf - gemeinsam, zum erstenmal seit langer Zeit.
Und Dorina selbst?
Sie empfand keine Freude über ihren Erfolg. Sie war nur müde.
*
Sie verließ die Farm schon am nächsten Morgen, gleich nach dem Frühstück. Ihren Eltern gegenüber behauptete sie, daß sie keine Zeit habe, weil sie sich auf eine wichtige Prüfung vorbereiten müsse. Segur und Warna glaubten ihr jedes Wort. Es hätte Dorina auch sehr gewundert, wenn es anders gewesen wäre.
Sie wußte, daß man sie in der Schule erst in einigen Tagen zurückerwartete. Der Gleiter protestierte zunächst, als sie ihn mitten im Bergland landen ließ, aber schließlich gelang es ihr doch, ihn zu überreden.
Den ganzen Tag hindurch saß sie an einem Bach und versuchte, Klarheit in ihre Gedanken und in ihre Gefühle zu bringen.
Sie versuchte, die Dinge gegeneinander abzuwägen.
Da waren ihre Eltern. Diesen Schaden hatte sie hoffentlich beheben können, aber das änderte nichts an der Tatsache, daß sie selbst ihn verschuldet hatte. Segur und Warna hatten durch Dorinas Schuld Jahre der Lebensfreude verloren. Und sie waren beide nicht mehr jung.
Da war der Kima-Strauch, der seine Blüten nicht öffnen wollte. Auch das war Dorinas Schuld.
Und der Sluck, den sie zu ihrem Freund erklärt und dadurch an sich gekettet hatte. Sie hatte ihn allzulange warten lassen.
Auf der anderen Seite der Rechnung gab es nur einen einzigen Punkt, der zu ihren Gunsten sprach: Gatour. Sie hatte es nicht mit Absicht getan, hatte nicht einmal gewußt, was geschah, aber sie hatte ihn geheilt.
War das genug?
Als die Sonne unterging, kehrte sie in den Gleiter zurück und ließ sich nach Hajmayur bringen.
Am nächsten Morgen ging sie
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