1507 - Das Blut-Juwel
nicht gelingen würde, den Ring loszuwerden. Sie war fest entschlossen, es mit Gewalt zu versuchen.
Das Waschbecken kam ihr dabei gerade recht. Sein Material war hart genug, um das Glas durch einen Schlag zu zertrümmern. Und dann wollte sie sehen, wie das Blut in das Waschbecken rann, das sie danach mit einem Schwall Wasser in den Abfluss spülen wollte.
Sie beugte sich vor. Eine Hand brauchte sie zum Festhalten. Mit ihr umklammerte sie den Rand des Beckens. Sie wollte den Arm anheben, die Hand zur Faust ballen, sie dann drehen und wuchtig gegen den harten Widerstand schlagen.
Sie schaute sich ihr Gesicht im Spiegel an und fand, dass sie schlimm aussah.
Ihre linke Hand bildete jetzt eine Faust. Sie schaute noch mal hin und wollte ihre Hand nach unten hämmern, um damit den Rand des Waschbeckens zu treffen.
»Ich würde es nicht tun, Purdy. Wer weiß, was dann alles passiert…«
Die Frau tat es nicht, obwohl die Hand bereits auf dem Weg nach unten gewesen war. Auf halbem Weg blieb sie stehen, als wäre sie von einem unsichtbaren Widerstand gestoppt worden, und der war auch auf eine besondere Weise vorhanden.
Purdy Prentiss hatte das Gefühl, zu einer leblosen Statue geworden zu sein. Zudem stand sie in einer unnatürlichen Haltung vor dem Waschbecken und starrte aus weit geöffneten Augen hinein. Sie verstand sich selbst nicht mehr, dass sie sich von ihrem Entschluss hatte abhalten lassen, und auf ihrem Rücken lag wieder der kalte Schauer, der sich als Gänsehaut darauf gelegt hatte. Sie hatte den Kopf zur linken Seite gedreht und wirkte wie jemand, der eine Nachricht erwartete.
Die erhielt sie auch, denn wieder war diese fremde und doch so bekannte Stimme da.
»Gut, dass du es nicht getan hast. Das ist dein Glück gewesen. Hüte das Blut wie deinen Augapfel…«
Die Staatsanwältin stöhnte. Sie hatte das Gefühl, zu schwanken, und war letztendlich froh, sich festhalten zu können. Noch schwebte die Hand mit dem Ring über dem Becken. Sie brauchte sie nur nach unten zu schlagen, und das Glas war zerstört.
Warum hatte sie es nicht getan?
Sie schalt sich eine Närrin, aber es war noch nicht zu spät. Sie verbannte die Warnungen aus ihrem Kopf und rammte dann ihre Hand nach unten.
Der Triumphschrei blieb ihr in der Kehle stecken, denn das Splittern, mit dem sie eigentlich gerechnet hätte, war nicht zu hören, obwohl sie den Ring gegen den Beckenrand gerammt hatte.
Das, was wie ein roter Stein aussah, gab es noch. Das konnte kein Glas sein, das das Blut schützte. Sie dachte dabei an einen Kunststoff, der nur so aussah wie Glas.
Es hatte keinen Sinn, und trotzdem unternahm sie einen zweiten Versuch. Der Erfolg blieb der gleiche. Für sie war der verdammte Ring so gut wie unzerstörbar.
Ihr Atem ging heftig. Sie trat vom Waschbecken zurück, drehte sich um und wurde von einem Schwindel erfasst, der sie fast von den Beinen geholt hätte. Auf dem Rand der Badwanne fand sie einen Sitzplatz, und dort blieb sie auch hocken, den Blick auf den verdammten Ring gerichtet, der so etwas wie ein Stück Schicksal für sie geworden war.
»Du kannst es nicht lassen, wie? Du kannst es einfach nicht lassen. Aber du wirst ihn nicht zerstören können. Der Ring und das Blut, sie sind das Bindeglied zwischen uns beiden, und du wirst erleben, dass diese Verbindungen noch stärker werden. Man kann mich nicht einsperren. Und was ich getan habe, das habe ich tun müssen. Das wirst du noch erleben. Es kann sein, dass auch du bald einen völlig anderen Weg gehen wirst. Hinein in ein neues Leben…«
»Hör auf!«, flüsterte Purdy Prentiss. »Hör auf, verflucht noch mal. Ich will nichts davon hören!«
»Schade. Sonst hättest du dich vorbereiten können.«
Sie hörte noch ein Lachen, und es kam ihr vor wie ein Abschiedsgruß.
Purdy saß noch immer auf dem Wannenrand und starrte gegen die Badezimmertür. Sie war nicht ganz geschlossen, und so glitt ihr Blick auch in den Flur, der nur schwach erhellt war.
Es war verrückt, was sie hier erlebte. Wenn sie das jemandem erzählen würde, man würde sie für verrückt erklären. Allerdings gab es auch Ausnahmen von der Regel.
Was sie mit sich selbst erlebte, war nicht normal. Doch sie kannte einen Menschen, der sich schon seit Jahren um solche nicht fassbaren Fälle kümmerte. Und dieser Mann hörte auf den Namen John Sinclair.
Purdy warf einer Blick auf die Uhr.
Mitternacht war noch nicht erreicht, und sie ging davon aus, dass John noch nicht im Bett lag.
Es gab kein
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