1508 - Der Templerjunge
Frage, wann er hier eintreffen würde. Und so konzentrierte ich mich auf den Jungen. Ich wollte mich nicht mehr ablenken lassen.
Wenn der Truck kam, dann musste er von der Straße runter. Für einen PKW wäre das kein Problem gewesen, denn für ihn waren die Lücken zwischen den Bäumen groß genug. Aber nicht für einen Truck. Ich hatte ihn noch nicht gesehen, doch ich konnte mir vorstellen, welche Ausmaße er besaß, und wenn er mit Benzin beladen war, das auch zur Explosion gebracht werden konnte, war der Ausbruch der Hölle nur eine Frage der Zeit.
Ich entdeckte eine Stelle, an der die Bäume nicht so dicht standen. Dort gab es zwischen ihnen auch Platz genug für einen Truck, und zum Glück hielten sich auf dieser freier Fläche im Moment keine Leute auf.
Plötzlich war er zu hören.
Neben mir zuckte Suko leicht zusammen, denn er hatte dieses Motorgeräusch ebenfalls vernommen, und auch der Junge nahm eine gespannte Haltung ein.
Jetzt gab es nichts mehr zu reden. Von nun an musste gehandelt werden, falls das überhaupt möglich war.
Das Brummen verstärkte sich, und dann tauchte zwischen den Bäumen der mächtige Umriss des Trucks auf. Ich sah seinen Kühler wie eine kantige Schnauze nach vorn ragen.
Er war ein Monster, das auf vier Rädern auf uns zuraste. Er machte Krach, seine Reifen zerstörten den Grasboden, und es gab nichts, was ihn hätte aufhalten können. Er war so mächtig, dass er jedes Hindernis aus dem Weg räumte.
Der Weg zwischen ihm und uns war frei. Und das wusste auch Imre.
Er musste seine Stimme schon anheben, um gehört zu werden, und so rief er: »Ich gehe jetzt!«
Meine rechte Hand zuckte vor, um ihn zurückzuhalten, aber ich griff ins Leere, weil er einen zu schnellen Schritt nach vorn gemacht hatte.
Zudem hielt mich Suko fest.
»Lass ihn, John, er ist unsere Chance! Wenn er den Truck anhält, kommt unsere Zeit.«
»Hoffentlich hast du recht«, sagte ich nur.
Innerlich fieberte ich. Ich stand wie auf heißen Kohlen und kam nicht vom Fleck weg. Irgendwie fühlte ich mich angeleimt.
Ging Imre in den Tod?
Bisher sah es nicht so aus. Aber er bewies schon Mut, als er sich dem Truck näherte. Der Junge kam mir vor wie ein Zwerg. Er schien noch kleiner geworden zu sein, wobei es für mich aussah, als wäre der Truck um das Doppelte gewachsen.
Und es war nur eine Frage der Zeit, wann Imre von ihm erfasst wurde.
Ich rechnete aus, ob ich noch eine Chance hatte, ihn zur Seite zu reißen, wenn ich jetzt loslief, doch es war zu spät. Außerdem wusste Imre genau, was er tat.
Ein Hupsignal übertönte alle anderen Geräusche. Eine Warnung für Imre, der sich jedoch nicht darum kümmerte. Er ging sogar noch schneller und hob nun beide Arme an. Er winkte dem Fahrer zu, den Truck endlich anzuhalten.
Für uns war nicht erkennbar, wer alles im Fahrerhaus saß. Die Windschutzscheibe ließ keinen Durchblick zu, weil sich auch in ihr die Sonnenstrahlen widerspiegelten.
Imre ging und winkte weiter. Er war auch jetzt von anderen Menschen bemerkt worden. Wir hörten hinter uns die Schreie, und vor uns waren Menschen in einer gewissen Entfernung stehen geblieben, um sich das anbahnende Drama anzuschauen.
Der Junge lief in den Tod!
Ich machte mir die größten Vorwürfe, und plötzlich hielt ich es nicht mehr aus. Ich rannte los. Vielleicht gab es noch eine Chance, das Kind vor dem sicheren Tod zu bewahren. Wieder erklang das Hupsignal.
Imre blieb stehen. Beide Arme leicht abgespreizt und noch immer in die Höhe gereckt. Jetzt kam es darauf an. Würde der Truck anhalten?
Ja, er rollte jetzt nur noch ganz langsam weiter.
Das Motorengeräusch war sehr viel leiser geworden, und so hörte ich das zischende Geräusch der Druckluftbremsen.
Der Truck stand, und der Junge stand auch!
Er war nicht überfahren worden. Sein Plan war aufgegangen, und ich konnte einfach nicht anders, ich musste meine Anspannung durch einen Schrei loswerden…
***
Kurze Zeit später hatten Suko und ich Imre erreicht. Er hatte sich nicht von der Stelle bewegt, nur seine Arme waren herabgesunken, und als wir ihn anschauten, da sahen wir, dass er erschöpft war, und es schien, als würde er jeden Moment umkippen.
Aber er lächelte und sagte mit leiser Stimme: »Ich habe es gewusst. Mein Vater hat mich nicht überfahren. Er braucht mich noch. Aber er hat nicht damit gerechnet, dass ich mich gegen ihn stelle. Wir leben beide noch.«
»Bleib hier, bitte«, flüsterte ich ihm zu.
»Mach ich.«
Für Suko und mich war
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