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1509 - Standbild des Grauens

1509 - Standbild des Grauens

Titel: 1509 - Standbild des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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murmelte die Vampirin.
    »Und was ist es dann?«
    Justine hätte gern eine Antwort gegeben, die auch sie selbst zufrieden stellte. Doch sie hielt sich noch zurück, weil sie nicht spekulieren wollte.
    Es gab die Wand, das war klar, aber sie unterschied sich von den anderen Wänden, gegen die sie schaute. Diese hier hatte etwas Besonderes. Innerhalb des normalen Felsens zeichnete sich etwas ab, und das war erst zu sehen, als sich Justine stark konzentrierte.
    Lucius blieb nicht so ruhig wie sie. »Hast du es erkennen können?«, flüsterte er. »Ich denke schon.«
    »Und? Was ist es?«
    »Frag lieber, was er ist.«
    »Was ist er denn?«
    »Der Götze aus Stein. Oder auch das steinerne Grauen, wenn dir das besser gefällt.« Lucius hielt den Atem an. In seinen Augen brannte es, und er ahnte, dass er dem Tod sehr nahe war…
    ***
    Ob Justine Cavallo die Zeit lang geworden war, wusste Lucius Clay nicht. Bei ihm jedenfalls war es der Fall, und das Gefühl, aus dem normalen Leben herausgerissen worden zu sein, verstärkte sich immer mehr in ihm.
    Ein Riese, ein Götze, ein Monstrum!
    Jetzt, wo er es geschafft hatte, seinen Blick zu fokussieren, nahm er die gesamten Ausmaße dieser Erscheinung wahr. Das war einfach sagenhaft, allerdings im negativen Sinn. Als Kind hatte er Geschichten von freundlichen, übergroßen Wesen gelesen, diesem Abbild aber konnte er nichts Freundliches abgewinnen, das war eher ein versteinerter Albtraum. Ein Horrorbild, das in einen Film passte, aber nicht in die Wirklichkeit.
    Aber es war vorhanden!
    Auch wenn er die Augen schloss und sie dann wieder öffnete, gab es für ihn nichts anderes zu sehen als dieses verdammte Zerrbild der Schöpfung.
    Überdimensional, mit mächtigen Beinen, die schon schweren Tempelsäulen glichen. Die waren auch nötig, um den kompakten, schweren Oberkörper zu stützen, der aus steinernen Muskeln bestand und mächtigen Armen, die er nach den Seiten gestreckt und auch angewinkelt hatte, wobei die Hände mächtige Fäuste bildeten.
    Hinzu kam der Kopf. Ebenfalls übergroß. Versehen mit einem aus dem Stein geschlagenen, einem Gorilla ähnlichen Gesicht, und knapp über den Ohren wuchsen zwei Hörner zur Seite hin, deren spitze Enden nach unten gedreht waren.
    Das war noch nicht alles. Die gewaltige Kreatur hatte zusätzlich zwei Flügel, die sich seitlich der Schultern abzeichneten und weit über seinen Kopf hinauswuchsen. Sie waren nicht mit den Flügeln von Engeln zu vergleichen. Ihre Formgebung war denen von echsenartigen Drachengeschöpfen ähnlich. Sie sahen aus, als wären verschiedene Segel übereinander gesetzt worden.
    Der Riese bewegte sich nicht. Er glich einem Standbild, aber er war so erschaffen worden, dass es aussah, als wollte er sich jeden Augenblick nach vorn werfen, um seine Starre zu verlassen.
    Lucius’ Herz klopfte schneller. Auch er war erstarrt. Eine Weile lang kam er sich ebenfalls versteinert vor. Schließlich drehte er seinen Kopf nach rechts und warf der Vampirin einen Blick zu, die ebenso unbeweglich auf der Stelle stand und nach vorn schaute. Allerdings schlug in ihrer Brust kein Herz.
    Aber Lucius freute sich darüber, dass er in der Lage war, eine Frage zu stellen, und so flüsterte er seiner unheimlichen Begleiterin zu: »Hast du eine Erklärung?«
    »Vielleicht.«
    »Welche denn?«
    »Es hängt mit euren Vorfahren zusammen, die vor langer Zeit hier gelebt haben. Sie müssen diesen Götzen erschaffen und ihn auch angebetet haben. Sie haben ihn aus dem Fels gehauen. Er war ihr Herr. Aber die Zeiten änderten sich. Es gab sicherlich hier Verschiebungen, und so wurde er schließlich unter anderen Felsen begraben. Bis dann die Menschen auf die Idee kamen, diesen Steinbruch zu erschließen.« Sie lachte. »Und damit haben sie sich die Hölle ins Haus geholt.« Die Cavallo nickte sich selbst zu. »Es ist perfekt«, fasste sie zusammen.
    »Das ist für mich der Blutgötze aus der Keltenzeit. So etwas wie der Vorläufer eines Vampirs, das steinerne Grauen.«
    Lucius Clay hatte genau zugehört. Bei jedem Wort war er blasser geworden, und der Schweiß auf seinem Gesicht verdichtete sich. Er musste sich zusammenreißen, um nicht zu schreien, und dann dachte er daran, dass ihm persönlich bisher noch nichts passiert war, was sich allerdings schnell ändern konnte.
    Er raffte all seinen Mut zusammen, schaute erneut die Vampirin an und flüsterte: »Wäre es nicht besser, wenn wir von hier verschwinden? Wir haben jetzt alles gesehen. Wir müssen den

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