1510 - Der Hexenbrunnen
seine Funktion nicht verloren. Er wurde nicht zerstört. Nur hat er sich gewandelt, denn jetzt befindet er sich unter der Kontrolle der Hölle. Sie ist es, die zuschlägt, denn es gibt Frauen, die sich mit ihr verbündet haben. Fünf Hexen, die der Teufel gezeichnet hat. Er gab ihnen das Höllenblut zu trinken. Sie haben sich daran laben können. Sie haben ihr eigenes Blut verloren, so sind sie unter seinen Einfluss gelangt, und was damals die Menschen getan haben, das tun jetzt sie. Umgekehrt wird jetzt ein Schuh daraus.« Quinlain lachte.
»Und jetzt müssen also Menschen sterben.«
»Ja.«
»Warum?«
»Weil der Teufel nichts umsonst gibt. Er braucht die Seelen der Gerechten, und deshalb sorgen die Hexen für Nachschub. Sie sind ihm sehr dankbar.«
Suko nickte. »Dafür musste also ein unbescholtener Mann wie Bruce Kendali sterben.«
»Unbescholten? Ich glaube nicht. Nein, das war er nicht. Er gehörte zu denen, die ihnen nachliefen. Er war so scharf auf sie, ohne allerdings zu wissen, wer sie wirklich waren. Er wollte mit ihnen großartige Dinge anstellen. Sie haben ihn zu sich in den Wald gelockt, wo sich ihr Versteck befindet. Plötzlich sah er sich fünf Frauen gegenüber. Das genau war zu viel für ihn.«
»Verstehe. Eine Seele für den Teufel.«
»Genau. Er wurde in den Hexenbrunnen gesteckt und musste das erleiden, was früher den Frauen widerfahren ist. Es ist alles perfekt. Man sagt immer, dass sich die Vergangenheit nicht wiederholt, aber hier ist es der Fall gewesen.«
Suko runzelte die Stirn und nickte, bevor er sagte: »Und warum lässt man euch in Ruhe? Sie, Quinlain, und die beiden Typen da wären doch die idealen Opfer.«
»Es sind meine Söhne. Wir haben uns auf die Seite der Hexen gestellt. Wir halten die Augen offen. Wir arbeiten mit ihnen zusammen. Sie freuen sich, wenn wir ihnen erklären, wer es verdient hat, seine Seele dem Teufel zu opfern. Und so wird es auch weiterhin laufen. Die fünf Hexen sind in ihrem Element, das kann ich euch versprechen, und sie werden begeistert sein, gleich zwei neue Opfer zu bekommen.«
»Das glaube ich Ihnen sogar«, sagte Suko. »Aber wissen Sie auch, wer wir sind?«
»Zwei verdammt neugierige Typen. Das habe ich mittlerweile herausgefunden.«
»Polizisten von Scotland Yard…«
Davon ließ sich der Mann nicht beeindrucken. »Und? Seid ihr deshalb besser?«
»Das vielleicht nicht, aber wenn zwei Mitarbeiter von Scotland Yard verschwinden, kann es schweren Ärger geben. Darauf sollten Sie sich einstellen.«
»Wir sind Spezialisten darin, Menschen spurlos verschwinden zu lassen«, erklärte der Rotbart. »In dieser Gegend gibt es keine Polizei. Auch keinen Pfarrer. Hier bestimmten wir alles.« Er fing an zu lachen.
»Wir und die Hexen!«
Ich ahnte, dass Quinlain sein Pulver verschossen hatte, und hatte mich nicht geirrt.
»Das war’s zunächst«, sagte er. »Jetzt geht es weiter. Auf euch wartet der Hexenbrunnen, und er ist groß genug, um auch zwei Menschen aufzunehmen…«
Das waren alles andere als tolle Aussichten. Wir steckten in einer verdammten Falle und wurden von zwei Waffen bedroht, die zudem noch unsere eigenen waren. Sich jetzt zu wehren wäre einem Selbstmord gleichgekommen, und deshalb taten wir, was man von uns verlangte.
Ich glaubte daran, dass es Suko besser ging als mir. Ich wurde zwar nicht mehr durch Schmerzen malträtiert, in meinem Kopf hatte sich aber ein dumpfes Gefühl festgesetzt. Die Unterhaltung hatte ich zwar mitbekommen, die Stimmen allerdings recht gedämpft gehört. Da war auch etwas mit meinen Ohren nicht in Ordnung.
Die Bewohner aus dem Ort sahen wir nicht. Als hätten sie den Befehl erhalten, sich zurückzuziehen. Es konnte allerdings auch sein, dass Quinlain nur mit seinen beiden Söhnen zusammenarbeitete. Wie dem auch war, Probleme gab es genug.
Der Weg war nicht weit. Ein Katzensprung nur.
Meine Gedanken drehten sich um Justine Cavallo. Ich wusste nicht, was wir von ihr erwarten konnten. War sie ein Trumpf in unsrer Rechnung oder das Gegenteil. Auch eine Justine Cavallo war nicht allmächtig. Sie musste ebenfalls gewissen Regeln und Gesetzen folgen, und dass die Hexen keine leichte Beute waren, das hatte sie erlebt.
Ich sah sie nicht.
Sie hielt sich gut versteckt. Dafür sahen Suko und ich den Brunnen, und bei diesem Anblick zog sich mein Magen leicht zusammen.
Es war bisher recht still gewesen, und wir hatten nur auf unsere schleifenden Schritte achten müssen, aber das änderte sich sehr
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