1513 - Rendezvous auf Jimmerin
konnten. Außerdem lag seine Hand kaum einen Zentimeter vom Kolben seiner Waffe entfernt. Trotz der vielen Fäden, die ihn behinderten, erreichte er ihn mühelos, als er es versuchte.
Doch er wollte sich nicht freischießen.
Eigenartige Gedanken durchfluteten ihn.
Sie ließen ihn an Harmonie, Übereinstimmung, Ordnung, Ebenmaß, Zusammenwirken, Wohlklang, Eintracht, Freundschaft, Geselligkeit, Koordination, Synchronisation, Verträglichkeit, Dienlichkeit und an viele andere Begriffe denken, die in irgendeiner Weise mit Harmonie zu tun hatten oder in ihrer Nähe angesiedelt waren.
Er widerstand der Versuchung, sich über Funk an die Syntronik zu wenden und Hilfe herbeizubeordern.
Irgend etwas in seinem Innern befand sich im Gleichklang und unterdrückte jeden Gedanken an Gewalt.
Es erschien ihm wie ein Sakrileg, jetzt seine Waffe auszulösen, die Pflanzen um ihn herum zu verbrennen und sich auf diese Weise freizuschießen.
Ein gewisses Wohlbefinden stellte sich ein, bei dem er sich mehr und mehr entspannte, und nur flüchtig dachte er an Gesil, die irgendwo in der Nähe war.
Er hatte das Gefühl, schwerelos über blühende Felder hinwegzugleiten und in einem Meer von harmonisch aufeinander abgestimmten Farben zu versinken. Er glaubte, die zarten Klänge einer fremden, aber ungemein wohltuenden Musik zu vernehmen, in der es keine Dissonanzen gab. Alles, was ihn je belastet hatte, schien von ihm abzufallen.
Er befand sich in einer Welt der vollkommenen Harmonie. Und er begriff.
Ein intelligentes Lebewesen hatte ihn in sich aufgenommen und ließ ihn an seinen Glücksgefühlen teilnehmen.
Es war ihm nicht feindlich gesinnt und war weit davon entfernt, so etwas wie eine fleischfressende Pflanze zu sein. Es hatte ihn lediglich verschlungen, um sein eigenes Wohlbefinden mit ihm zu teilen.
Ein geistiger Impuls erreichte ihn, der ihm bestätigte, daß er die richtigen Schlüsse aus seiner Situation gezogen hatte.
Sein wissenschaftliches Interesse erwachte. Er wollte einerseits mehr über die Intelligenz wissen, mit der er in Berührung gekommen war, und er wollte sie andererseits nutzen, um Informationen über Per-E-Kit und Gesil einzuholen, die sich ganz in seiner Nähe befanden.
In Ansätzen gelang es ihm. Dabei kam er sich vor wie ein kleiner Junge, der sich auf die Zehenspitzen stellen mußte, um über den Zaun in Nachbars Garten sehen zu können.
Ein Teil seines Ichs schien über die begrenzende blaue Hecke hinauszugleiten zu einem anderen intelligenten Wesen hinüber und von diesem zum nächsten. Er überwand immer weitere Hecken, berührte dabei andere Entitäten, bis er schließlich zu einer kam, die sich voller Glücksgefühle um ein riesiges, muschelförmiges Gebilde schmiegte.
Loydel Shvartz war kein Telepath, und er gewann auch jetzt keine telepathischen Fähigkeiten.
Dennoch erfaßte er auf eine besondere Weise, daß sich Per-E-Kit und Gesil tatsächlich in dem eingeschlossenen Raumschiff befanden, bekam jedoch keinen Zugang zu ihren Gedanken. Ihm war, als befanden sie sich hinter einer transparenten Wand aus Formenergie, die lediglich optische Informationen und sonst nichts anderes zu ihm durchkommen ließ.
Er sah Gesil und den Kontiden, aber er hörte nicht, was sie sagten, und er erfaßte vor allem ihre Gedanken nicht. Und auch die optischen Eindrücke kamen nur für wenige Sekunden durch. Das Bild riß abrupt ab und wurde durch ein anderes ersetzt. Er sah ein topsidisches Landungsboot, das von Pflanzen umschlungen wurde, und er begriff, daß dieses Schiff sich unter dem langgestreckten Hügel verbarg, der nur etwa fünf Kilometer von ihm entfernt war. Mit Hilfe der Pflanzen gelang ihm ein Blick ins Innere des Schiffes. Er meinte, durch die offene Schleuse hineinzugleiten und bis in die verschiedenen Räume vorzudringen.
Er fand keine Spur der Besatzung mehr, doch er konnte sich denken, was mit ihr geschehen war.
Sie hatte irgendwann die Schleuse geöffnet, um das Schiff zu verlassen, und war dann ebenso wie er von den Wurzeln der Pflanzen umschlungen worden. Damit waren die Topsider nicht fertig geworden. Vermutlich hatten sie sich gewehrt. Vielleicht hatten sie gekämpft. Mit Sicherheit hatten sie verloren. Sie waren von dem Wohlwollen und dem Harmoniebestreben der Pflanzen erdrückt worden.
Er zog sich zurück, und sein Ich schien weiterzugleiten zu anderen Pflanzenintelligenzen, die sich auf der weiten Ebene etabliert hatten, jedes säuberlich durch blaue Hecken von den anderen
Weitere Kostenlose Bücher