1518 - Sukos Albtraum
allerdings schnell zusammensackte, weil Hang den Kopf schüttelte.
»Nicht?«, fragte sie leise.
»Ich bin kein Wahrsager und kein Hellseher. Es tut mir sehr leid, aber ich kann dir nicht sagen, wo er sich aufhält. Dass er in London ist, steht allerdings fest, aber sonst…«
»Hast du keine vage Idee?«
»Gut gefragt. Dann müssen wir das Thema von einer anderen Seite her angehen.«
»Darum bitte ich. Die Frage heißt doch jetzt: Wo könnte sich Ai Wei aufhalten?«
»Dort, wo er nicht auffällt.«
Shao spürte wieder die Spannung in sich und nickte. »Und wo wäre das? Oder könnte das sein?«
Der alte Hang lehnte sich etwas zurück und hob seine Arme.
»Auffallen würde er hier in Chinatown weniger als außerhalb. Aber auch hier wäre er ein Fremdkörper.«
»Und wo nicht?«
Hang drehte die Figur um die Achse.
»Das kann ich dir nicht sagen. Da müssten wir gemeinsam Überlegungen anstellen, Shao, und den Kreis erweitern.«
»Bitte.«
Hang lächelte leicht, bevor er sagte: »Mir kommt der Begriff Schauspieler in den Sinn.«
Shao hielt für einen Moment die Luft an. Dann nickte sie heftig.
»Ja«, sagte sie, »auch Suko hat die Bezeichnung Theaterspieler für ihn verwendet. Aber wie kann uns das weiterhelfen?«
»Es ist ein Weg, glaube ich.«
»Und wo führt er hin?«
»Er kann zu einem Versteck führen, in dem Ai Wei nicht auffällt. Oder kaum.«
»Und das wäre zwischen Schauspielern, nicht wahr?«
»Ja.«
»In einem Theater«, sagte Shao.
»Wir nähern uns dem Ziel.«
»Dann weißt du bestimmt mehr als ich, Hang.«
»Nein, von Wissen kann man da nicht sprechen. Es sind eher Vermutungen.« Hang schaute Shao in die Augen. »Wenn wir eins und eins zusammenzählen, ist die Lösung gar nicht mal so schwer.«
Shao griff sich an die Stirn. »Das kann sein. Ich bin irgendwie blockiert und kann dir nicht ganz folgen.«
»Gut, dann werde ich dir sagen, was ich denke. Später wirst du darüber lachen und dich fragen, warum du nicht selbst auf diesen Gedanken gekommen bist.«
»Bitte…«
»Sagt dir der Name China Palace etwas?«
Shao dachte nach. Lange brauchte sie nicht zu überlegen, dann hatte sie die Antwort. »Es ist ein chinesisches Theater. Ein Zelt, das den Sommer über in einem Park aufgebaut ist und…«
»Genau, du hast es.«
Hang hätte Shao nicht zu unterbrechen brauchen, sie stoppte ihren Redefluss von selbst, holte ein paar Mal tief Luft und fuhr dann fort: »Klar, manche sprechen von einem chinesischen Zirkus. Aber das ist es wohl nicht. Es ist eine Mischung aus Show, Tanz und Akrobatik. Etwas Tolles aus dem Reich der Mitte.«
»Endlich hast du es begriffen.«
Shao saß auf ihrem Platz, als wäre sie eine Holzfigur des Alten. Was alles durch ihren Kopf jagte, das war für sie nicht zu fassen und in eine richtige Reihenfolge zu bringen. Aber es stand fest, dass sie dieses Theater aufsuchen würde, denn die Auftritte dieser Truppe passten einfach haargenau in Hangs Überlegungen hinein. Da gab es die Menschen hinter Masken, und da würde einer wie Ai Wei bestimmt nicht auffallen.
»Das ist alles, was ich für dich tun konnte, Shao.«
»Danke«, flüsterte Shao und neigte ihren Kopf vor. »Danke, dass du mir geholfen hast.«
»Ich tat es gern, meine Liebe.«
»Und ich werde mir das Theater von innen anschauen. Ich muss eine Vorstellung besuchen. Und es ist wichtig für mich, dass ich jetzt weiß, wie Ai Wei aussieht.«
»Sei dennoch vorsichtig, Shao. Auch wenn er sein absolutes Ziel noch nicht erreicht haben wird, er ist trotzdem gefährlich. Und er kennt keine Gnade.«
»Ich auch nicht«, erklärte sie.
Es waren ihr letzten Worte. Danach stand sie auf und wandte sich dem Ausgang zu. Ihr Gesicht zeigte dabei einen entschlossenen Ausdruck, denn Shao war bereit, alles in die Waagschale zu werfen, um Suko beizustehen und Ai Wei zu vernichten…
***
Die stille Fahndung nach Sukos BMW lief, sie lief und lief, ohne einen Erfolg zu bringen. Es war deprimierend, wir kamen nicht weiter, und ich hatte in meinem Büro das Gefühl, in einer Zelle zu stecken, in der es mir alles andere als gut ging.
Es war einfach wie verhext. Keine Meldung von oder über Suko und auch kein Anruf von Shao, die sicherlich auf eigene Faust ermittelte. Das alles beschäftigte mich und machte mich nicht eben happy, wie sich jeder vorstellen kann.
Auch Glendas Stimmung hatte sich der meinen angepasst. Hin und wieder betrat sie mein Büro, und dann sah ich ihr schon an, dass sie keine guten
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