1523 - Das Projekt
Abstammung nicht verleugnen, Ruddy", meinte er. „Mit den Schotten wollen wir nicht konkurrieren. Wichtig für uns ist nur, daß das Zeug wärmt. Im übrigen stimme ich dir zu. Der letzte Crocobuf muß entweder erlegt oder aus dem Tal vertrieben werden. Erst wenn uns das gelungen ist, werden wir Ruhe haben. Die Tiere sind von mäßiger Intelligenz, aber sie begreifen, wenn sie irgendwo nicht gern gesehen sind und wenn ihnen der Starrsinn ans Leben gehen kann. Die Frage ist nur: Wer nimmt die Bestie auf sich?"
Ruddy McInerny sah den Weisen überrascht an. Tashu Morela übernahm es, für ihn zu antworten. „Wer anders als Ruddy?" sagte sie. „Er hat die meiste Erfahrung im Umgang mit Crocobufs."
„Einverstanden?" fragte Moses Shelman, zu Ruddy gewandt. „Natürlich", kam die Antwort. „Mich hat’s gewundert, daß du überhaupt zu fragen brauchtest."
„Nun, es ist keine ungefährliche Sache, und man kann nicht als selbstverständlich annehmen, daß einer, der sein Leben schon so oft aufs Spiel gesetzt hat, jederzeit wieder ..."
„Ich gehe mit!" erklärte Tashu Morela mit Nachdruck. „Wie bitte?"
„Ganz klar geht sie mit", nickte Ruddy McInerny. „Als was?"
Die Frage brachte Ruddy ein wenig aus dem Gleichgewicht. „Als ... als Begleiterin", antwortete er recht unbeholfen. „Tashu kann mir helfen, die Mahlzeiten zuzubereiten."
„Als Köchin braucht er mich", bestätigte Tashu.
Ruddy warf ihr einen Blick zu, der um Entschuldigung zu bitten schien. Moses Shelman setzte eine noch weisere Miene als bisher auf und gab damit zu verstehen, daß er alles verstanden hatte. „Dann kann ich die Angelegenheit also getrost dem Experten überlassen", sagte er. „Wann wollt ihr aufbrechen?"
„Je weniger die Sache hinausgezögert wird, desto besser sind wir dran", antwortete Ruddy McInerny. „Ich meine, wir verschaffen uns jetzt eine gute Mütze Schlaf, und morgen bei Sonnenaufgang geht’s los."
Er sah Tashu fragend an. „Von mir aus", nickte sie. „Ich stehe unter der Tür, wenn du mich abholen kommst."
So verblieben sie. Als Tashu sich spontan anbot, ihn auf der Jagd nach dem Crocobuf zu begleiten, hatte er ein paar Sekunden lang gehofft, es käme ein anderer Ablauf der Nacht auf ihn zu. Jetzt war er ein wenig enttäuscht, aber er zeigte es nicht. Nach freundlichem Gruß stapfte er hinaus in die Nacht und schritt über den frostknirschenden Grund in Richtung seines Hauses. Es war inzwischen noch kälter geworden, und kurz vor Sonnenaufgang läge die Temperatur dann bei minus vierzig Grad.
Fünf Grad nördlich des Äquators, dachte er grimmig.
Er schlief tief und traumlos. Einen Wecker brauchte er nicht. Als das erste Licht des neuen Tages sich zu rühren begann, stand er auf und ging den üblichen Verrichtungen nach. Er war fertig zur Abreise, als der winzige, grelle Lichtpunkt der Sonne über dem östlichen Horizont erschien.
Er prüfte die Waffen, die er mitzunehmen gedachte: zwei schwere Kombistrahler, einen für sich selbst, den anderen für Tashu Morela. Tashu war nämlich nicht bewaffnet. Sie vertrat die Ansicht, daß der Mensch mit der Natur und seinen Mitwesen eins sein müsse und daß daher Waffen nicht gebraucht würden.
Ruddy McInerny empfand diese Philosophie als reichlich naiv, besonders wenn man daran dachte, daß sie heute auszogen, um den letzten Crocobuf zu erledigen.
In der Garage, die ans Haus angebaut war, brachte er den Gleiter ohne Mühe in Schwung. Das Leben in der Siedlung Quorda mochte manchem als primitiv erscheinen, aber in Wirklichkeit war man modernst ausgestattet. Das Fahrzeug war ein All-Terrain-Rover, Baujahr 1152, hergestellt in den Robotwerken von Karaganda. Tashu hielt Wort. Sie wartete unter der Tür, als er vorfuhr. Er bewunderte ihren Anblick. Sie war mittelgroß, etwa einssiebzig, und keineswegs zierlich gebaut. Ihm gefielen der mediterrane Teint der Haut, die großen Augen, das dunkle, volle Haar und vor allen Dingen der nicht zu klein geratene Mund mit den kräftig ausgebildeten Lippen. Tashu hatte die übliche Montur angelegt, eine sogenannte Freizeitkombination, heizbar, mit Vollsichthelm für den Fall, daß es gar zu kalt wurde. Im Augenblick allerdings war ihr Helm desaktiviert, zurückgerollt in die Halskrause der Montur.
Sie begrüßten einander. Tashu schwang sich in den Beifahrersitz. Ruddy zog den Gleiter in die Höhe und ging über den Dächern der Siedlung auf Südkurs. „Wird es schwierig werden?" fragte Tashu. „Glaub’ ich nicht",
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