1526 - Mirandas Schutzengel
Dimension?
Er musste davon ausgehen, nach dem, was er gehört hatte. Ja, nur so konnte es sein, aber das Wort Schutzengel wollte er in diesem Zusammenhang nicht mehr verwenden. Es waren für ihn keine Schutzengel. Er hatte einen anderen Begriff gehört, und dem stimmte er eher zu.
Unheilige Mächte!
Damit konnte Suko momentan nichts anfangen. Es gab viele Heilige in der christlichen Religion. Aber von irgendwelchen Unheiligen hatte er noch nie gehört. Doch es war wie so oft im Leben. Man lernte niemals aus.
Unheilige in einer jenseitigen Dimension. So musste es laufen, und die verstorbene Frau hatte den Kontakt zu ihnen aufgebaut. Sie war nach ihrem Tod in diese Welt aufgenommen worden. Oder das, was von ihr zurückgeblieben war.
Und vorher?
Suko glaubte fest daran, dass sie schon zu Lebzeiten mit den Unheiligen einen Kontakt aufgebaut hatte. Nach dem Tod war sie dann von ihnen aufgenommen worden.
Und sie hatte ihre feste Aufgabe, denn aus der anderen Dimension heraus spielte sie die Schutzpatronin für ihre Tochter und schickte ihr das zu Hilfe, was ihre neue Welt für sie bereit hielt.
Es war praktisch die erste Spur, die sie hatten, und Suko fragte sich, ob auch John davon erfahren würde, wenn er Bruno Zanussi interviewte.
Was wusste der Mann?
War er von seiner Schwester eingeweiht worden?
Er konnte sich selbst keine Antwort auf seine Fragen geben. Zudem bekam er Besuch. Es waren die Mitarbeiter vom Beerdigungsinstitut, die mit ihrem primitiven Sarg nicht durch das Lokal gegangen waren. So viel Pietät hatten sie gezeigt.
Suko winkte sie zu sich heran. Er gab die Erklärungen ab, die nötig waren, und setzte darauf, dass sein Freund John Sinclair mehr Glück gehabt hatte als er selbst.
***
Ich stand da und hielt erst mal die Luft an, denn mit einer derartigen Entdeckung hatte ich nicht im Traum gerechnet.
Zwei Figuren mit dämonischen Fratzen, die ich auf die kleine Kommode stellte. Da sich unter den Füßen eine kreisrunde Platte aus Holz befand, blieben sie auch stehen.
»Schauen Sie sich das an, Mr Zanussi.«
Der Wirt nickte. Er schob sich langsam näher und hielt dabei den Kopf gesenkt. Seine Augen waren groß geworden, und auf seiner Stirn schimmerten Schweißperlen.
»Was sagen Sie dazu?«
Er schüttelte den Kopf. »Das habe ich nicht gewusst. Ehrlich nicht. Das ist mir neu.« Er schauderte.
»Gut, ich glaube Ihnen.«
»Dabei habe ich nicht mal gewusst, dass meine Schwester diese Figuren gesammelt hat. Wie viele sind es denn?«
»Sieben«, sagte ich, holte die restlichen fünf aus der Schublade hervor und stellte sie auf.
Wir konnten sie uns anschauen, was wir auch taten. Es gab keine Gesichter mehr, es gab nur Fratzen, und jede sah anders aus.
Manchmal erinnerte sie mich an das Gesicht des Teufels, an diese dreieckige Fratze, wie er sich oft den Menschen zeigte.
Andere sahen aus wie Monster aus einem Film. Manche waren Mischungen aus Tier-und Menschenköpfen, und mir war mittlerweile klar, dass ich eine Gruppe von Unheiligen vor mir hatte. Sie also waren von der Verstorbenen so geliebt worden.
Aber die verschleimten Skelette entdeckte ich nicht. Es waren nur die in lange Gewänder gehüllten Figuren, die vor mir standen und mich aus bösen Augen anzustarren schienen.
Ich wandte mich wieder an Bruno Zanussi.
»Gibt es noch weitere Geheimnisse Ihrer Schwester?«
»Davon weiß ich doch nichts«, jaulte er. »Nein, verdammt noch mal! Wie oft soll ich Ihnen noch sagen, dass sie ihr eigenes Leben geführt hat? Ich kann mir nur vorstellen, dass Miranda etwas weiß, aber wo die sich aufhält, kann ich Ihnen nicht sagen.«
»Wir werden sehen.« Ich dachte einen Moment nach. »Aber Miranda hat auch hier gewohnt?«
»Sicher.«
»Und sie hat keinen zweiten Wohnsitz gehabt? Irgendeine Bude, wo sie mal ohne Verwandte sein konnte?«
»Nein, nicht dass ich wüsste.«
»Hatte sie keinen Freund?«
»Darum habe ich mich nie gekümmert.«
»Okay, ich lasse Sie dann in Ruhe. Sie können sich wieder um Ihren Betrieb kümmern.«
»Und was haben Sie jetzt vor, wenn ich mal so neugierig fragen darf?«
»Das dürfen Sie. So schnell werden Sie mich nicht los. Ich gehe jetzt zu meinem Kollegen. Mal schauen, ob es dort etwas Neues gibt…«
***
Maria Zanussi stand mit hochrotem Kopf in der Küche. Dampfschwaden umgaben sie und ihre Helfer. Wie so oft herrschte mal wieder Hochbetrieb.
Sie schaute kaum von ihren Töpfen hoch, als Bruno die Küche betrat und sich durch die Schwaden
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