1526 - Mirandas Schutzengel
Das waren einige tausend Pfund.
Bruno Zanussi hatte zugeschaut und flüsterte: »Davon habe ich nichts gewusst. Ehrlich nicht.«
»Sie war wohl sehr sparsam.«
»Das kann man sagen.«
Ich legte das Geld wieder unter die Tücher, schob die Lade zu und öffnete die zweite, die nicht so stark verzogen war. Sicherlich war sie öfter aufgezogen worden.
Und hier erlebte ich eine Überraschung.
In der Lade und in Reih und Glied aufgebaut lagen handgroße Figuren, die aus Holz bestanden und eine unterschiedliche Bemalung aufwiesen.
Allerdings nicht in hellen und bunten Farben. Diese hier waren schon etwas gedeckt, obwohl auch eine goldene Farbe nicht fehlte. Mir fiel noch auf, dass alle Figuren mit den Gesichtern nach unten lagen.
»Haben Sie von dieser Sammlung gewusst, Mr Zanussi?«
»Nein, das habe ich nicht.« Er beugte sich vor und legte dabei beide Hände auf die Oberschenkel. »Ich weiß auch nicht, was das zu bedeuten hat. Die sehen aus wie Heiligenfiguren oder wie Menschen aus Klöstern, wenn ich an die Kleidung denke.«
»An Heiligenfiguren kann ich nicht so recht glauben. Aber man kann sich auch täuschen.« Ich nahm zwei Figuren auf einmal hoch. Als ich sie in den Händen hielt, drehte ich sie um, und konnte nun in die Gesichter schauen.
Okay, meinetwegen hätte man sie auch als Heiligenfiguren durchgehen lassen können, aber da gab es einen sehr, sehr großen Unterschied.
Und der betraf die Gesichter, denn die beiden Figuren wiesen jeweils eine dämonische Fratze auf…
***
Es kam dem wartenden Suko sehr gelegen, dass er allein blieb und keine Neugierigen das Restaurant durch den Wintergarten verließen, um nachzuschauen, ob es noch etwas zu glotzen gab.
Die Kollegen, die den Toten abholen sollten, waren noch nicht eingetroffen. Wahrscheinlich würden sie mit einem Wagen von einem Beerdigungsinstitut eintreffen, das mit der Polizei zusammenarbeitete.
Das konnte etwas dauern.
Suko ärgerte sich darüber, dass ihm Miranda Zanussi entwischt war.
Aber sie kannte sich in der Umgebung besser aus als er und hatte sich auch nicht gerade langsam wie eine Schnecke bewegt.
Wo konnte sich Miranda versteckt halten? Was wusste sie über ihre sogenannten Schutzengel? Aus welcher Hölle stammten sie?
Es waren Fragen, die Suko beschäftigten. Nur fehlten ihm die Antworten, und er wusste auch nicht, wo er sie sich holen sollte. Er konnte nur hoffen, dass John von Zanussi Informationen erhielt, die sie weiterbrachten.
Der Schock traf ihn urplötzlich, denn auf einmal hörte er eine Stimme, obwohl sich niemand in seiner Nähe befand.
»Was willst du von meiner Tochter?«
Suko fuhr auf dem Absatz herum. Dann drehte er sich im Kreis, aber da war niemand. Dennoch war die Stimme so nah, als würde der geheimnisvolle Sprecher direkt neben ihm stehen.
»Was willst du von meiner Tochter?«
Suko wusste jetzt, dass der Frager eine Antwort erwartete. Und es war eine Fragerin, sodass er sich nicht erst großartig zusammenreinem musste, wer sie war.
Er war sich sicher, die Stimme der verstorbenen Elisa Zanussi gehört zu haben.
Trotzdem fragte er: »Wer bist du?«
Er erhielt keine Antwort.
Wieder flüsterte die Stimme: »Was willst du von meiner Tochter?«
»Nichts oder nicht viel.«
»Lass sie in Ruhe. Sie soll mein Erbe übernehmen, und jeder, der ihr etwas antun will, bekommt es mit den unheiligen Mächten zu tun, zu denen ich jetzt auch gehöre.«
»Unheilige Mächte? Was ist das?«
»Ich habe dir genug gesagt. Und hüte dich davor, noch einen Schutzengel zu töten. Sonst wird dich der Bannstrahl der Dämonen mit voller Wucht treffen. Das ist meine letzte Warnung. Ich hoffe, du hast sie verstanden.«
»Das denke ich.«
»Gut-gut so…«
Ein kalter Hauch strich über Sukos Kopf hinweg, dann war nichts mehr zu spüren.
Ungewöhnlich kam ihm das Erlebnis schon vor. Auch er hatte nicht jeden Tag eine Begegnung mit dem Jenseits, wobei er sich fragte, um was für ein Jenseits es sich handelte.
Er wusste ja, dass der Begriff Jenseits sehr vielschichtig war. Es gab da verschiedene Dimensionen, die nicht unbedingt der normalen Welt verschlossen sein mussten. Das hatte mit dem Jenseits, das sich die normalen Menschen vorstellten, nichts zu tun. Man konnte auch von mehreren Unterabteilungen oder Stufen sprechen, und all diese mörderischen Dimensionen waren auch Wohnstätten für die verschiedensten Kreaturen, mit denen Suko auch schon oft zu tun gehabt hatte.
Kamen diese Schutzengel aus einer solchen
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