1526 - Mirandas Schutzengel
Frau zur Verfügung stand.
Ein Zimmer plus Bad, wie mir Zanussi erklärt hatte. Er wollte auch die Tür aufdrücken, doch ich drängte ihn zur Seite und übernahm dies selbst. Es war besser so. Sollte sich Miranda im Zimmer aufhalten, mussten wir mit bösen Überraschungen rechnen.
Das trat nicht ein. Niemand lauerte auf uns, niemand stand im toten Winkel der Tür. Das Zimmer war leer, und nur ein schwacher Parfümgeruch hing noch zwischen den Wänden.
Ich schaute auch im Bad nach. Als ich mich umdrehte, stand Bruno Zanussi im Raum und schaute sich vorsichtig um, als wäre er hier fremd.
Auf seinem Gesicht sah ich eine Gänsehaut und fragte ihn, was mit ihm los wäre.
»Nichts«, sagte er leise. »Aber ich fange jetzt erst an, richtig darüber nachzudenken, was passiert ist. Da kann man schon weiche Knie bekommen, Mr Sinclair.«
»Sie sagen es. Setzen Sie sich.«
»Gut.« Er ließ sich in einem schmalen Sessel nieder und wischte den Schweiß von seiner Stirn. Man konnte bei ihm von einem Gesicht ohne Ausdruck sprechen. Er schaute ins Leere. Sicherlich liefen die Szenen, die er erlebt hatte, immer wieder vor seinem geistigen Auge ab, und er holte nur mühsam Luft.
Ich lehnte mich gegen die Fensterbank und nickte ihm zu.
»Ich denke, dass es Zeit ist, den Mund zu öffnen. Es geht mir dabei nicht um Sie, sondern um Ihre verstorbene Schwester und um Ihre Nichte.«
»Ich weiß.«
»Und dann gibt es da noch die drei netten Menschen, die Ihnen einen Besuch abgestattet haben. Was ist mit ihnen? Wer sind sie genau und wer hat sie geschickt? Ich habe leider nicht alles von den Gesprächen mitbekommen.«
Zanussi deutete auf seine Brust. »Ich habe damit nichts zu tun, Mr Sinclair. Es ging ja um meine Nichte.«
»Ja, schon. Aber es ging auch um Ihre Schwester. Sie war ja Teilhaberin.«
»Das ist wahr. Sie hielt gut die Hälfte der Anteile. Nur hat das kaum jemand gewusst.«
»Und einen gewissen Prozentsatz an diesem Anteil wollten sich andere indirekt holen.«
»Wie meinen Sie das denn?«
Ich verzog meinen Mund zu einem säuerlichen Grinsen. Diese Frage war wirklich nicht nötig gewesen. Aber Zanussi spielte den Unwissenden, und so wurde ich konkreter.
»Schutzgeld.«
»Davon weiß ich nichts.« So recht konnte er mir nicht mehr in die Augen schauen.
»Ich halte fest, Mr Zanussi: Sie wissen also nicht, ob Ihre verstorbene Schwester Schutzgeld gezahlt hat?«
»So ist es.«
»Und Sie?«
Er winkte fast wütend ab. »Das ist doch egal. Was hat das mit dem Fall zu tun? Hier geht es um meine Nichte und um seltsame Gestalten aus irgendeiner anderen Welt, die ich mir nicht erklären kann. Deshalb lassen wir das lieber mit dem Schutzgeld.«
Ich verstand ihn sogar, dass er darauf nicht eingehen wollte. Aber beides hing zusammen, auch wenn das Erscheinen der Schutzengel mehr im Vordergrund stand.
»Haben Sie irgendeine Erklärung dafür, dass plötzlich diese Gestalten erscheinen und Miranda beschützen? Es gibt für alles in der Welt einen Grund, und auch dafür wird es einen geben. Ist Ihnen früher schon mal etwas Ungewöhnliches aufgefallen?«
»Nein.«
»Wann fing es an?«
Die Haut auf seiner Stirn bewegte sich dabei. Er sagte: »Erst nach dem Tod meiner Schwester. Auf dem Friedhof, als Miranda von den Fremden angesprochen wurde.«
Das hatte ich mir gedacht.
»Ich habe aber keine Erklärung, Mr Sinclair.«
»Ja, das kann ich mir denken. Für gewisse Dinge gibt es kaum eine Erklärung. Aber man kann versuchen, so etwas wie eine zu finden. Und dabei ist es wichtig, dass man Fragen stellt, die sich auf einen gewissen Hintergrund beziehen.«
»Ich weiß nichts.«
»Das nehme ich Ihnen nicht ab.«
»Doch, ich…«
Ich unterbrach ihn. »Erzählen Sie mir etwas über Ihre Schwester.«
»Nun ja«, murmelte er und hob die Schultern. »Wir haben uns immer gut verstanden. Dann muss ich Ihnen noch sagen, dass Miranda nicht ihr leibliches Kind ist. Sie wurde adoptiert.«
Das war für mich keine Überraschung, denn das wusste ich bereits von Luigi, unserem Stammitaliener.
»Ihre Schwester hat Sie hier also unterstützt?«
»Das kann man wohl sagen. Sie war die Seele des Geschäfts. Sie hat alles gemanagt, wobei sie zumeist hinter den Kulissen arbeitete.«
»Sie hat also geschuftet.«
»Das kann man wahrlich sägen.«
»Aber das war doch nicht ihr ganzes Leben, denke ich mal. Sie muss auch privat gelebt haben. Oder nicht?«
»Natürlich.«
»Dann würde ich gern mehr über ihr privates Leben erfahren, Mr
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