1529 - Tochter, Mutter, Teufelssaat
weiter und sah auch die Ränder der Straße nicht mehr so, wie sie hätten sein sollen. Die Bäume standen nicht mehr starr, wie es hätte sein müssen, sondern hatten sich in Gummi verwandelt, das sehr biegsam war, sodass sich die Bäume in die entsprechenden Richtungen hin bewegten, als würde der Wind sie von verschiedenen Seiten packen.
Spaß machte es nicht, zudem erlebte ich immer wieder neue Schweißausbrüche, die sich mit der Anzahl meiner Flüche durchaus die Waage hielten. Ich sah weder die Tochter, noch die Mutter, und genau das bereitete mir noch größere Sorgen.
Meine Erinnerung war nicht verloren gegangen. Wenn das stimmte, was mir Elisa Foret erzählt hatte, dann sah es übel für sie aus. Ich glaubte nicht daran, dass die angebliche Mutter irgendwelche Rücksichten nahm. Sie würde so brutal zuschlagen wie eine fremde Person, denn ihr ging es nur um die Sache, und das war verdammt schlimm, denn sie stand auf der Seite der Hölle.
Ich hielt trotzdem nicht an. Ich machte weiter. Ich hatte jetzt den Wald verlassen und fuhr den Weg zurück, den ich schon mal genommen hatte. Auch jetzt, wo keine Bäume die Straßenränder begrenzten, kam mir die Fahrbahn vor wie ein Gummischlauch, der nicht flach auf dem Boden lag, sondern bewegt wurde, und daran konnte ich mich einfach nicht gewöhnen. Ich biss die Zähne zusammen, ich hatten die Scheiben nach unten gedreht, um frische Luft herein zu lassen, die meinen Kopf frei blasen sollte, was allerdings nur sehr langsam Wirkung zeigte.
Aber die Zeit arbeitete für mich. Möglicherweise war die Dosis auch nicht so hoch gewesen. Ich erlebte, dass sich meine Sicht besserte, sodass die Straße vor mir allmählich wieder die normalen Umrisse annahm und ich mich wohler fühlte.
Es ging bergauf, und das nicht nur mit der Fahrbahn, sondern auch mit meinem Zustand.
Ich wusste, dass Camilla ein Geschäft besaß. Wo es lag, war mir unbekannt. Ich ging davon aus, dass es in dem kleinen Ort befand, auf den ich zusteuerte. Und ich besaß einen Mund, um Fragen zu stellen, deshalb machte ich mir auch darüber keine Gedanken. Mich interessierte viel mehr wie es der Schülerin ging, weil ich einfach wusste, dass sie sich in der Gewalt der Mutter befand, die es geschafft haben musste, eine Verbindung zum Teufel herzustellen. Den endgültigen Beweis dafür hatte ich noch nicht erhalten.
Als vor mir die Ansammlung der Häuser in der Senke erschien, hatte ich das erste Etappenziel erreicht. Mir ging es wieder besser, und so gab ich etwas mehr Gas. Wenn mir keiner der Bewohner Antworten auf meine Fragen geben konnte, würde ich hoch zur Schule fahren und mich dort erkundigen.
Das allerdings konnte ich mir ersparen. Der Ort lag praktisch noch vor mir, nur erste Häuser zeigten sich verstreut am Rand der Straße, als ich eine Frau sah, die von der rechten Seite her auf die Fahrbahn zulief. Sie benutzte einen schmalen Weg, der an der Straße endete.
Meine Augen weiteten sich schon, als ich die Kleidung sah. Die Frau trug die Tracht einer Nonne. Ich dachte sofort an das, was man mir erzählt hatte. Elisa Foret hatte von einem Internat gesprochen, in dem sie ihr Leben verbracht hatte, und dabei war sie von Nonnen erzogen worden.
Das kam mir wie gerufen. Wenn jemand hier Bescheid wusste, dann sicherlich diese frommen Frauen.
Ich passte die Geschwindigkeit so an, dass wir praktisch zusammentreffen mussten und die Frau es nicht schaffen würde, über die Straße zu gehen.
Sie stoppte, und ich hielt auch an. Ich machte den Arm lang und kurbelte die Scheibe an der rechten Seite nach unten.
Die Frau in Tracht wartete. Ich sah sie jetzt besser und schaute in ein ungeschminktes Gesicht, in dem sich dünne Falten um Mundwinkel und Augen verteilten. Mir fielen zudem die blassen Lippen auf und der für mich leicht misstrauische Blick, den ich verstand, denn schließlich war ich ein Fremder, der etwas von ihr wollte.
Sehr freundlich grüßte ich die Frau, und sie erwiderte den Gruß.
»Darf ich Sie um etwas bitten?«
»Worum geht es denn?«
»Nur um eine Auskunft.«
»Glauben Sie, dass Sie bei mir richtig sind?«
»Ich kann es mal versuchen.«
»Bitte.«
»Ich suche eine gewisse Camilla Foret. Wie man mir sagte, soll sie hier in der Gegend einen Kräuterladen betreiben, oder so etwas in dieser Richtung…«
»Ja, das stimmt.«
»Schön. Und wo finde ich den Laden? Muss ich in den Ort? Muss ich hindurchfahren und…«
»Was wollen Sie denn dort?«
»Nur etwas kaufen.«
Die Nonne
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