1535 - Der Satan von Soho
Begleiter. Er sagte nichts. Er schaute auf meine rechte Hand und bekam große Augen, bis er schließlich fragte: »Was ist das?«
»Eine Pistole.«
»So klein?«
»Ja.«
Mit dieser Antwort musste sich Rowan zufrieden geben, denn für mich waren andere Dinge wichtiger. Ich konzentrierte mich auf die Menschen, die sich bald gegenüberstehen würden. Die Morgan-Brüder machten nicht den Eindruck, als würden sie aufgeben wollen.
Niemand bewegte sich. Es blieb irgendwie totenstill. Und mir kam es so fremd vor.
Samson und Lucy standen ebenfalls da, ohne sich zu rühren. Die Schwertklinge wies zu Boden und war nicht bedrohlich auf die Morgan-Brüder gerichtet.
Noch befand sich die Karre zwischen ihnen, doch die würde für Samson kein Hindernis sein.
Ich spürte die Spannung in mir. Sie drückte mir die Brust zusammen.
Sogar mein Speichel hatte einen anderen Geschmack angenommen.
Rowan und ich befanden uns recht weit von Samson und Lucy entfernt, was mir nicht gefiel. Ich wollte näher heran. Für einen gezielten Schuss war es auf diese Entfernung einfach zu dunkel.
Dann ging alles schnell.
Es waren die Morgan-Brüder, die anfingen, und zwar der mit dem kurzen Krummsäbel. Er fürchtete sich wohl davor, dass Samson ihm die Beute rauben könnte, und brüllte ihn an.
»Hau ab!«
Der Satan von Soho lachte. Okay, es war ein menschliches Gelächter, es hörte sich nur anders an. Es schien aus einer Röhre zu kommen, aus einem Trichter, der tief bis in seinen Körper reichte und deshalb diesen hohlen Ton erzeugte.
Das Lachen lag noch in der Luft, als der Satan von Soho sein Schwert anhob. Es fuhr mit einer scharfen Bewegung durch die Luft, und schon der erste Schlag zerschmetterte die Karre. Er traf die hintere Seite und teilte sie in zwei Hälften. Die beiden Kisten wurden nicht erwischt. Eine ritzte er nur an.
Der Säbelträger schrie wütend auf. Ich rechnete damit, dass er angreifen würde, und das tat er auch. Aber wie er das tat, überraschte selbst mich.
Er hob seine Waffe an und schleuderte sie wie ein Messer auf den Satan von Soho zu.
Der tat nichts, um dem Krummsäbel auszuweichen. Er reckte ihm sogar seine Brust entgegen, und der Stahl jagte genau in die Mitte hinein. Er bohrte sich tief in den Körper und hätte durchaus das Herz zerreißen können.
Morgan lachte. Er brüllte seinen Triumph hinaus. Er wartete darauf, dass Samson fiel, und er lachte noch immer weiter. Doch dann wurde sein Lachen schwächer und ging über in seltsame Laute. Es hörte sich fast an, als würde er ersticken.
Plötzlich war es still!
Der Satan von Soho stand noch immer an derselben Stelle. Er fiel einfach nicht, obwohl der Krummsäbel bis fast zum Heft in seiner Brust steckte. Wie ein Zeichen des Sieges ragte der Griff hervor.
Plötzlich leuchtete Samsons Körper auf und die Farben mischten sich dabei - wie bei den Bändern, die durch die Luft gehuscht waren.
Wieder lachte jemand. Nur war es diesmal Samson. Er griff mit einer Hand zu und zerrte den Krummsäbel aus seinem Körper.
Ich rechnete damit, dass er ihn zu Boden schleudern würde, aber da hatte ich mich geirrt, denn er tat das, was der andere bei ihm getan hatte. Er schleuderte die Waffe zurück und traf ebenso gut.
Die Klinge durchbohrte den Hals des Mannes. Ich hörte sein schreckliches Gurgeln, und dann musste ich zuschauen, wie der Mann nach hinten kippte und tot auf den Boden schlug.
Der andere Morgan heulte auf.
Das war für mich das Zeichen, mich aus meiner Deckung zu lösen. Ich sagte auch Rowan nichts, sondern rannte mit langen Schritten von Bord auf den Satan von Soho zu…
***
»John!«
Es war der Schrei der Frau, der mich noch mehr antrieb. Ich hatte Lucys Stimme erkannt, aber ich wusste nicht, was sie von mir wollte.
Wahrscheinlich hatte sie aus einem Reflex heraus geschrien.
Es war letztendlich auch egal. Ich wollte weiteres Blutvergießen vermeiden und den verdammten Satan von Soho aus dem Verkehr ziehen.
Lucys Schrei bewirkte noch etwas anderes. Samson wurde abgelenkt. Er hatte bereits sein Schwert angehoben, um den zweiten Morgan zu köpfen, da sah er mich.
Es musste auch für ihn eine Überraschung gewesen sein, als ich wie ein Irrwisch aus dem Dunkel hervorstürmte und Kurs auf ihn nahm.
Ich hielt mich zudem gut auf den Beinen und rutschte nicht aus.
Trotzdem kam mir die Distanz länger vor, als sie in Wirklichkeit war.
Der Satan von Soho blieb gelassen. Diesmal lag kein Dunst zwischen uns. Wir sahen uns direkt an, und ich
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