1536 - Der Weise von Fornax
hättest keine Eltern."
„MUTTER ist mein Raumschiff, du Narr!" schrie Siela ihn an und wandte sich in Richtung der Steilküste; sie war nun wirklich zornig. „Dein Raumschiff?" wiederholte Alaska. Ein sechzehnjähriges Mädchen, das vor 680 Jahren hätte geboren werden sollen, aber diese Zeit mit wachem Geist schlafend überbrückt hatte, das auf einer Welt des technischen Notstands ein eigenes Raumschiff besaß, das dazu auch noch MUTTER hieß!
Siela entschwand wie eine Traumwandlerin. Er konnte sie nur noch als Schemen erahnen. Er rief ihr nach: „In welchem Verwandtschaftsverhältnis stehst du zu Unbred und Quint Correl, Siela?"
„In keinem", rief sie zurück. „Unbred hat meine Geburt eingeleitet, darum habe ich seinen Namen angenommen."
Alaska legte die Hände wie einen Trichter um den Mund und rief: „Siela, hast du gewußt, daß die Siganesenmutter Kim Souder vor ihrem Tod noch einmal ihre Heimat in der Milchstraße sehen möchte?"
„Warum quälst du mich so sehr?" Sie schluchzte auf, und dann war an ihren Schritten zu hören, daß sie zu laufen begann. „Kim tut mir ja so leid ..."
Alaska Saedelaere stand noch eine ganze Weile bewegungslos da, dann setzte er sich in Richtung der Quartiere in Bewegung. Ihm war klar, daß Siela Correl die innere Bereitschaft gehabt hatte, mit ihm über alles zu reden.
Was hatte er nur falsch gemacht, daß sie sich dann auf einmal gegen ihn sträubte? Mit Kytoma hatte er solche Verständigungsschwierigkeiten nicht gehabt.
Er erreichte die Gebäude. Als er durch das Tor des Terranerquartiers trat, blickte er in die Mündung eines Strahlers. Dahinter sah er das wutverzerrte Gesicht eines Gurrads.
Chronik: Geburt 1155 NGZ „Ich habe Angst, Unbred."
„Du wirst sehen, es tut gar nicht weh, Baby."
„Aber ich fürchte mich davor, plötzlich ohne die schützende Hülle allen Gefahren hilflos ausgesetzt zu sein."
„Du wirst auch dann nicht ohne Schutz sein, wenn du erst geboren bist. Du hast MUTTER, die dich behütet.
Und VATER wird über dich wachen."
„Und du, Unbred?"
„Auch ich werde immer für dich dasein."
„Hoffentlich findest du mich als Menschenkind nicht zu haßlich."
Unbred Correl lachte. „Ich weiß, daß du schon sein wirst. Du wirst mich nicht enttäuschen. Fangen wir an, meine Prinzessin?"
„Nein!"
„Ich kann deine Ängste verstehen. Sie plagen vermutlich jedes Ungeborene im entscheidenden Moment, nur daß andere, im Gegensatz zu dir, sich nicht artikulieren können. Wir haben neunzig Jahre gegen alle Widerstände auf diesen Augenblick hingearbeitet. Enttäusche mich jetzt nicht."
„Du mußt mir nur noch eines versprechen, Unbred."
„Ich erfülle dir jeden Wunsch."
„Du mußt mir gestatten, daß ich deinen Namen tragen darf."
„Versprochen. Du bist eine Correl. Siela Correl. Ist dir das recht?"
„Es ist ein schöner Name."
Die künstliche Geburt wurde eingeleitet. Und Unbred Correl barg aus dem Lebenstank ein an Geist und Körper gesundes Mädchen.
Doch anfangs klappte die Kommunikation zwischen dem Neugeborenen und VATER und MUTTER nicht so recht. Entgegen den Prognosen schien Siela Correl bei ihrer Geburt die Fähigkeit verloren zu haben, die Nocturnen zum Tanzen zu bringen.
Erst im Alter von sechs Jahren stellte sich diese Fähigkeit wieder ein. Zur Freude der Hanseaten klappte das Zusammenspiel des Dreigestirns wieder, was durch die Kaperung des Gurradschiffs KANSCH bewiesen wurde.
Zu diesem Anlaß - und zu ihrem sechsten Geburtstag bekam Siela Correl von MUTTER ein Geschenk. Es war eine Haarspange. „Das ist keine gewöhnliche Haarspange", erklärte MUTTER dazu. „Sie stammt von deiner leiblichen Mutter.
Die glitzernden Ziersteine sind in Wirklichkeit Speicherkristalle. Ich habe die darin gespeicherten Informationen nicht überprüft. Aber ich könnte mir vorstellen, daß deine Mutter darin eine persönliche Nachricht für dich hinterlassen hat."
Siela Correl erfuhr nie, ob dies der Wahrheit entsprach. Denn beim ersten ungeschickten Versuch, den Inhalt der Speicherkristalle abzuhören, entleerte sie diese ungewollt - und die möglicherweise darin enthaltenen Daten gingen verloren.
Unbred Correl erlebte den Tag, an dem Sie den Hanseaten die KANSCH zuführte, nicht mehr. Er verschwand zuvor unter mysteriösen Umständen und blieb danach spurlos verschwunden. Es ging das Gerücht, daß er mit einem heimlich gebauten Raumschiff zu einer Reise ins 45 Lichtjahre nahe Augenlicht-System aufgebrochen sei.
Quint Correl
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