1539 - In der Eastside
diese Erkenntnis nahebrachten."
„Indem sie sie belauschten und ihnen dann die bittere Wahrheit auf telepathischem Weg direkt ins Gehirn schmetterten. Aber ich kann mir nicht vorstellen, daß diese alten Spionanlagen heute noch existieren."
„Wer hätte sie beseitigen sollen? Es hat ja keiner etwas von ihnen gewußt, und darum hat auch niemand nach ihnen gesucht. Abgesehen davon kann man dieses Überwachungsnetz nicht zerstören. Es ist mit der Energieversorgung gekoppelt - es reicht bis in den entferntesten Winkel des Planeten."
Ronald Tekener starrte die Kartanin verblüfft an. „Wenn das jemals herauskommt, möchte ich nicht in deiner Haut stekken", sagte er schließlich. „Ich habe dieses Netz weder ausgetüftelt, noch installiert", erwiderte Dao-Lin-H’ay gelassen. „Und außerdem wird es niemand erfahren - es sei denn, du selbst gehst hin und sagst es ihnen."
„Früher oder später wird irgend jemand darüber stolpern."
„Das ist sehr unwahrscheinlich. Die ganze Sache wurde vom Scotaming ausgebrütet."
So hatte man die Kommandosektion der NARGA SANT genannt. Das Scotaming existierte nicht mehr. „Das Scotaming", fuhr die Kartanin fort, „hat für jede einzelne Voica ganz spezielle Vorbereitungen getroffen. Keine von uns hätte jemals zu irgendeinem Außenstehenden über diese Dinge gesprochen. Die Sache mit dem Netz war und ist absolut geheim. Ich bin die einzige, die es noch benutzen kann."
„Du hast etwas vergessen."
„Und zwar?"
„Mich! Ich weiß jetzt Bescheid."
„Da kannst du mal sehen, wie sehr ich dir vertraue!"
Sie lächelte auf ihre katzenhafte Weise. Tekener lächelte zurück. „Abgesehen davon könntest du nicht viel damit anfangen", fuhr sie nüchtern fort. „Du könntest den Kartanin verraten, daß das Netz existiert. Das würde viel Staub aufwirbeln. Aber du könntest es nicht benutzen. Es würde auch nicht viel nützen, wenn du es jemandem erklären wolltest. Diese Schriftsymbole sind außerordentlich kompliziert, und hier handelt es sich um ganz spezielle Entwürfe."
„Womit klargestellt wäre, daß dein Vertrauen zu mir Grenzen hat", bemerkte Tekener spöttisch. „Du hast es erfaßt. Aha, da haben wir ja die Höchste Frau. Genau zur richtigen Zeit, wie mir scheint. Dort kommt er, der Kommandant des Sternenschiffs!"
*
Mei-Mei-H’ar hatte sich in ihr Büro zurückgezogen. Dort wähnte sie sich unbeobachtet, zumal sie Tschu-Man-H’ar im Vorraum wußte. Und auf Tschu-Man-H’ar war Verlaß.
Jedenfalls nahm Mei-Mei-H’ar das an.
Tschu-Man-H’ar öffnete die dicken, schallschluckenden Portieren und führte den Kommandanten hinein.
Han-Shui-P’on war noch sehr jung. Er hatte eine ungewöhnliche Fellfärbung: Schwarze und gelbe Streifen auf weißem Grund.
Ronald Tekener hatte eine derartige Färbung noch bei keinem einzigen Pinwheel-Kartanin gesehen. Er fragte sich unwillkürlich, ob Han-Shui-P’on nicht vielleicht einen Hangay-Kartanin zu seinen Vorfahren zählte.
Han-Shui-P’on grüßte die Höchste Frau äußerst respektvoll. Er trug ein kleines Kästchen bei sich.
Als er es öffnete, konnte man für einen Augenblick den Gegenstand sehen, der darin lag.
Es war ein Halsband - breite Metallglieder mit glitzernden Symbolen darauf. „Howalgonium", stellte Tekener mit Kennerblick fest. „Hat das Ding irgendeine offizielle Bedeutung?"
„Keine Ahnung", erwiderte Dao-Lin-H’ay. „Ich habe dieses Halsband nie zuvor gesehen."
Mei-Mei-H’ar warf einen langen, prüfenden Blick auf das Schmuckstück. Dann gab sie Tschu-Man-H’ar einen Wink. Die junge Kartanin nahm dem Kommandanten das Kästchen aus der Hand und ging lautlos davon. „Da steckt etwas drin", sagte Tekener sofort. „Kannst du feststellen, was mit dem Halsband geschieht?"
„Ich bin bereits dabei", murmelte Dao-Lin-H’ay und gab weitere Symbole ein.
In einer Einblendung in der linken, unteren Ecke des Bildschirms sahen sie Tschu-Man-H’ar, wie sie das Vorzimmer verließ und durch einen breiten, nur schwach beleuchteten Korridor ging. „Wohin führt dieser Gang?" fragte der Terraner. „Zu einem der hinteren Ausgänge", erwiderte Dao-Lin-H’ay. „Sie wird sich wahrscheinlich zum Stadthaus der Familie H’ar begeben. Keine Angst, wir werden sie nicht aus den Augen verlieren. Und das Halsband auch nicht."
„Wenn irgend jemand dahinterkommt, daß wir das alles beobachten können, haben wir ein Problem am Hals", stellte Tekener fest. „Niemand kann eine Voica belauschen", erklärte
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