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1548 - Orbit im Nichts

Titel: 1548 - Orbit im Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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sprichst jetzt", fiel ihm Njels Bohannons Stimme ins Wort. „Bedenke, daß ich nicht hier bin und dich nicht hören kann. Es wäre mir leichtgefallen, meinen Syntron so herzurichten, daß er mit meiner Stimme auf deine Äußerungen reagiert. Denn er ist eine verdammt intelligente Maschine, und mein Stimmuster liegt ihm in allen Variationen und Nuancen vor. Aber weißt du was? Was du jetzt noch zu sagen hast, ist völlig unwichtig. Ich brauche nicht mehr auf dich einzugehen. In den letzten Augenblicken deines Lebens sollst du dich voll und ganz auf das konzentrieren, was ich dir zu sagen habe."
    Myles Kantor schluckte. Der Haß, der aus Bohannons Stimme sprach, ließ ihn schaudern. Aber er durfte jetzt nicht die Beherrschung verlieren. Er war Bohannon in die Falle gegangen. Was hatte die Stimme gesagt? „In den letzten Augenblicken deines Lebens ..." Er mußte die Fassung bewahren. Noch gab es Auswege. Kallia und Deri waren irgendwo in der Nähe. „Servo!" schrie er. „Ich brauche eine Verbindung ..."
    „Das syntronische System steht voll unter meiner Kontrolle", sagte die Stimme aus dem grünen Ball. „Du hast keinen Zugriff mehr zu seinen Funktionen. Du glaubst nicht, daß ich dich fest habe? Geh und sieh dich um!"
    Genau das hatte Myles ohnehin schon vorgehabt. Er drückte den Steuerknüppel so hart, daß das Kantormobil wie von der Sehne geschnellt durch den kurzen Korridor bis an den Rand des Schachtes schoß.
    Von oben fiel kein Licht mehr herab. Das war das knallende, metallene Geräusch gewesen, das er gehört hatte!
    Der schottähnliche Zugang zur Schachtkammer hatte sich ruckartig geschlossen.
    Das Kantormobil reagierte auf sein Kommando. Es ließ sich vom Sog des künstlichen Schwerefelds fassen und glitt in die Höhe. Myles bedauerte, daß er die Waffe nicht mehr bei sich führte, die in der vergangenen Nacht, als der Saboteur sich an seiner Software zu schaffen machte, neben ihm im Holster gehangen hatte. Das Mobil trug ihn rasch bis zum Schott hinauf. Er suchte nach einem Öffnungsmechanismus, fand jedoch keinen. Er ging längsseits der düsteren Metallwand und donnerte mit den Fäusten dagegen. Dazu schrie er: „Kallia! Deri!"
    Aber es kam keine Antwort. Das Kantormobil hatte es unter Anleitung des Pikosyns längst von sich aus unternommen, eine Funkverbindung mit der Außenwelt herzustellen. Auch auf diesem Wege war kein Erfolg zu erzielen.
    Von unten tönte die mächtige Stimme der giftgrünen Leuchterscheinung herauf. „Ich nehme an, daß du dich am oberen Schachtausgang zu schaffen machst. Gib dich keinen falschen Hoffnungen hin. Der syntronische Riegel des Schotts ist desaktiviert. Außerdem ist die gesamte unterirdische Anlage - bis zum Ausgang hinauf - von einem starken Energiefeld umgeben. Du kommst nicht hinaus. Wenn du also wirklich da oben bist, dann bemühe dich gefälligst wieder zu mir herab, damit ich dir noch ein bißchen Weisheit eintrichtern kann, bevor du dich in Staub und Asche verwandelst."
    Myles Kantor zwang sich zur Ruhe. Es gab nichts, was er im Augenblick zur Verbesserung seiner Lage unternehmen konnte. Er war dem Besessenen ausgeliefert, der seine Falle offenbar schon vor längerer Zeit aufgestellt hatte. Er war darauf angewiesen, daß Kallia oder Deri ihm in irgendeiner Art und Weise zu Hilfe kamen - wenn er sich auch nicht vorstellen konnte, wie das geschehen sollte - oder daß er in Bohannons Wahnsinnsplan irgendwo einen Fehler fand, den er zum eigenen Vorteil nutzen konnte.
    Er dachte zurück an die Tage, als er sich in den Anlagen nördlich der Stadt Kwai für den Einsatz im Innern NATHANS vorbereitet hatte. Er erinnerte sich an das Gefühl der Hilflosigkeit, das er empfunden hatte, als er ohne jegliche Orientierung an der Seite des Vaters und der Mutter durch den leuchtenden Dschungel der Mikrostrukturfelder glitt. Es war ihm noch deutlich im Gedächtnis, mit welcher Selbstverständlichkeit Notkus Kantor, sein Vater, die Notwendigkeit des Todes akzeptierte hatte.
    An diesen Gedanken richtete er sich auf. Es kam der Augenblick, da dem Menschen kein Ausweg mehr blieb.
    Der Tod stand vor ihm und forderte, was ihm zustand. Manchmal ließ sich die Drohung noch abwenden. Aber wenn sich alle Bemühungen als vergeblich erwiesen, was blieb dann noch anderes übrig, als dem Unvermeidlichen mit jener Gelassenheit entgegenzusehen, die ein Philosoph des Altertums - seinen Namen hatte Myles längst vergessen - als die höchste menschliche Tugend bezeichnet hatte?
    Myles

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