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1548 - Orbit im Nichts

Titel: 1548 - Orbit im Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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genug vornehmen. Textstücke, Formeln, Kommentare, Routinen, Algorithmen tanzten vor ihm über den Bildschirm.
    Er las alles, und was er las, brannte sich wie mit glühenden Lettern in sein Bewußtsein ein.
    Wenige Minuten vor seinem Tod entwickelte Myles Kantor eine Geisteskraft, als wäre er mit zehn Bewußtseinen gleichzeitig am Werk.
    Er dachte nicht mehr an das nahe Ende. Wie ein Besessener fraß sich sein Verstand an den Informationen fest, die die Videofläche ihm offenbarte. Njels Bohannon hatte ganze Arbeit geleistet. Hier war das Gebäude einer Theorie errichtet worden, die dem Projekt UBI ES großen Nutzen gebracht hätte. Und doch ...
    Myles hätte am liebsten vor Triumph aufgeschrien, als er die Stelle fand, an der Bohannon den entscheidenden Fehler gemacht hatte. Er war konventionellem Denken gefolgt und hatte einen Weg eingeschlagen, der die Theorie verfälschte und zu einem unbrauchbaren Ergebnis führen mußte. Es war ein fundamentaler Fehler, aber gleichzeitig einer, der sich leicht beseitigen ließ. Er sagte mehr über Njels Bohannons Mentalität als über die Anwendbarkeit der Hypothese aus. Der Triumph, den Myles Kantor empfand, war eine hysterische Überreaktion des gemarterten Bewußtseins. Seine Kräfte wichen. Myles spürte es. Da schoß ihm ein Gedanke durch den Sinn, an den sich der verwirrte Verstand voller Verzweiflung klammerte: dem Mörder einen Streich spielen, einen Schwächeanfall erleiden und das Bewußtsein verlieren, bevor der Zünder abgelaufen ist! „Du hast noch sechzig Sekunden, Kantor", sagte die Stimme aus dem grünen Leuchtball. „Siehst du jetzt, wer der Bessere ist?"
    Gurgelnde Geräusche kamen Myles über die Lippen. Er konnte nicht mehr artikuliert sprechen.
    Ich werde wahnsinnig! dachte er. In seinem Schädel dröhnte und rumorte es, als trommelte ihm einer mit dem Hammer gegen die Schläfen. „Dreißig Sekunden, Kantor."
    Noch mehr Gedröhn, noch lauteres Klopfen. Myles Kantor riß die Arme in die Höhe und preßte die Hände gegen die Ohren. Aber gegen Bohannons durchdringende Stimme gab es keinen Schutz. „Zehn Sekunden, Kantor."
    Myles straffte sich. Er saß aufrecht auf der Sitzfläche des Kantormobils. Sein Blick war starr auf die Konsole gerichtet.
    Ein scharfes Klicken ließ ihn zusammenzucken. Unwillkürlich spannten sich die Muskeln, als wollten sie versuchen, das Unvermeidliche zurückzuprellen. Der Atem stockte. Jetzt kam das Inferno ... jetzt ... jetzt ...!
    Ihm wurde bewußt, daß es ringsum finster geworden war. Die giftgrüne Leuchterscheinung war erloschen, die Bildfläche verschwunden. Nur eines war noch da: das unablässige Rumoren und Hämmern im Hintergrund. Ein Blitz zuckte durchs Dunkel. Glutflüssiges Metall tropfte zischend. Fauchen und Knallen: die Entladung eines Thermostrahlers. Menschenstimmen: „Dort ... dort ist er!"
    Kallias Stimme! Woher kam Kallia? Nur jetzt über nichts mehr nachdenken müssen! Es war keine Kraft zum Denken mehr da.
    Myles Kantor sank zur Seite
     
    6.
     
    Im nachhinein klang es alles recht einfach und unverfänglich. Aber da waren immer noch ein paar Dinge, die keinen Sinn ergaben.
    Kallia Nedrun hatte sich kurz nach dem Interkomgespräch mit Myles Kantor auf die Suche nach Derivoor Ken gemacht, der nicht an seinem Arbeitsplatz war. Kallia war durchs Haus gegangen und hatte den Statistiker schließlich in einer Kammer gefunden, die an die Automatenküche grenzte und anscheinend als Abstellraum diente. Kallia sah technisches Gerät und eine Anzahl von kleinen zylindrischen Behältern, die aussahen wie altmodische Konservendosen, denen man die Etiketten abgerissen hatte.
    Derivoor Ken wirkte verstört. „Weißt du, was das hier ist?" fragte er Kallia und machte eine Geste, die die gesamte Kammer einschloß. „Nein. Aber du sagst es mir jetzt gleich", antwortete Kallia. „Eine Bombe!" stieß Deri hervor. „Chemischer Sprengstoff. Genug von dem Zeug, um einen ganzen Häuserblock umzulegen."
    „Du spinnst!"
    „Von wegen." Er hob eine der Dosen auf. Der Deckel hatte ein Loch. Deri hielt die Dose schräg und ließ durch das Loch eine grobkörnige, hellgraue Substanz in seine Handfläche rieseln. „Hexanitropolytonal", sagte er lakonisch. „Und wozu, um Gottes willen ..."
    „Wahrscheinlich wollte er uns umbringen. Bohannon, meine ich. Dort ist der Zünder." Er wies auf ein Kästchen, das an der Wand angebracht war. Die Verkleidung war entfernt worden und lag auf dem Boden. „Ziemlich primitives Ding. Reagiert

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