155 - Briana - Tochter Irlands - Langan, Ruth
nicht! Wo er sie als rund und weich in Erinnerung hatte, war Briana jetzt dünn und eckig. Die damals kaum zu bändigende hüftlange Lockenpracht war abgeschnitten worden. Jetzt umrahmten rotgoldene Löckchen ein Gesicht, das noch schöner geworden war, als Gavin es in Erinnerung hatte.
Briana war eine Fremde für ihn geworden.
Während er sie unverwandt anstarrte, fassten sich die anderen an den Händen und bildeten einen Kreis um Vater und Tochter.
Keane stand noch immer neben der Kutsche und fühlte sich in diesem Moment wie ein unerwünschter Eindringling. Er fragte sich, wie es sich wohl anfühlte, zu so einer großen, liebenden Familie zu gehören.
Aus dem allgemeinen Stimmengewirr wurde nun ein Chor von Fragen.
„Wo bist du gewesen, Briana?“
„Wie hast du all die Monate überlebt?“
„Was ist mit den jungen Männern passiert, die dich aus dem Kloster abholten?“
Briana löste sich aus dem Kreis und ging hinüber zu Keane. Sie griff nach seiner Hand und zog ihn mit sich, bis sie vor der Familie standen.
„Das ist Keane O’Mara. Er hat mir das Leben gerettet. Und nun sucht er für eine Weile Ruhe und Sicherheit hier in Ballinarin. Keane, das ist meine Familie.“
Gavin O’Neil reichte ihm zögernd eine Hand zum Gruß, während Moira Keanes Hände mit ihren umschloss und voller Wärme beteuerte: „Unser Heim ist Eures, Keane O’Mara. Ihr könnt bleiben, solange Ihr wollt.“
Rory und Conor zeigten sich wie Gavin auffallend zurückhaltend, während ihre Frauen ihn so begeistert begrüßten wie zuvor Moira.
Briana winkte Mistress Malloy und Vinson zu sich. „Diese beiden kümmern sich um Keanes größten Schatz, nämlich seine Tochter Alana.“
„Oh, wie zauberhaft sie ist.“ Moira öffnete die Arme, um das kleine Kind anzunehmen. Sie bemerkte auf der Stelle, wie erschöpft die beiden alten Bediensteten waren, und war sofort die geschäftige, umsichtige Gastgeberin. „Ihr müsst auf der Stelle ins Haus kommen, damit wir es Euch bequem machen können. Wie weit seid Ihr gereist?“
„Quer durch Irland. Und vorher waren wir in London.“
„Ihr wart in England?“ Gavin kniff drohend die Augen zusammen.
Briana griff schnell nach Keanes Arm und zog ihren Geliebten in Richtung Eingangstür.„Ja, Vater. Wir werden dir alles erzählen, aber erst später. Jetzt wollen wir uns erst einmal den Reisestaub abwaschen, und später möchte ich etwas von dem köstlichsten Lachs essen, den es überhaupt gibt, gekocht von der besten Köchin weit und breit.“
„So soll es sein.“ Moira wandte sich an eine ihrer Schwiegertöchter. „Anna Claire, würdest du dich darum kümmern, dass die Köchin frisch gefangenen Lachs bekommt und für das Abendessen zubereitet?“
„Ja, selbstverständlich.“ Anna Claire eilte davon.
Auch Briana betrat nun das Haus, das sie vor mehr als drei Jahren hatte verlassen müssen. Sie hielt einen Moment inne und sog den Anblick all der vertrauten und so schmerzlich vermissten Einzelheiten ihres Zuhauses in sich auf, den Anblick der Bilder, die Gerüche. Nun konnte sie die Tränen nicht länger zurückhalten.
Keane, der ihr schweigend gefolgt war, berührte sie sacht am Arm. „Alles in Ordnung, Liebes?“, erkundigte er sich halblaut.
„Ja.“ Briana atmete tief durch, um nicht vollends die Beherrschung zu verlieren. „Es ist einfach alles nur so … überwältigend.“
Er legte ihr eine Hand an die Wange, und Briana schmiegte sich hingebungsvoll an Keane.
In diesem Augenblick kam Gavin herein, blieb abrupt stehen und räusperte sich vernehmlich. Hinter ihm standen seine Söhne und betrachteten schweigend das umschlungene Paar.
„Briana, du wirst dich in deinem alten Zimmer erfrischen und ein wenig ausruhen wollen“, erklärte der alte Gavin in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete.
„Ja, eine gute Idee“, stimmte sie bereitwillig zu und griff nach Keanes Hand. „Komm mit, ich werde dir zeigen, wo ich die ersten fünfzehn Jahre meines Lebens verbracht habe.“
„Er kann sich dein Zimmer später ansehen“, bestimmte Gavin O’Neil harsch. Dann, offenbar um einen etwas umgänglicheren Tonfall bemüht, fügte er hinzu: „Ich bin mir sicher, dass unser Gast nichts dagegen hätte, sich mit einem kühlen Ale den Staub aus den Lungen zu spülen nach der langen Reise.“ Gavin sah Keane herausfordernd ins Gesicht. „Das wollt Ihr doch, oder?“
Keane nickte und lächelte Briana liebevoll zu. „Geh du ruhig nach oben, Liebes. Wir sehen uns
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