155 - Briana - Tochter Irlands - Langan, Ruth
schon war der Tisch gedeckt und das Essen fertig.
„Wenn alle satt sind, können wir uns ja noch ein Weilchen nach draußen setzen und bei einem Ale den Sonnenuntergang beobachten“, schlug Hugh McCann vor, und sowohl Keane als auch Briana nickten zustimmend.
Das Essen war, obwohl es bescheiden angemutet hatte, köstlich gewesen. Bridget hatte es verstanden, aus Kartoffeln, Rindfleisch und warmem Brot ein delikates Mahl zuzubereiten. Für die Kinder war der Höhepunkt gewesen, als sie zum Nachtisch die von der Köchin in Carrick gebackenen Tierplätzchen hatten essen dürfen.
„Was geschieht mit dem Abwasch?“, wollte Briana wissen, als Bridget den kleinen Daniel auf den Arm hob und Anstalten machte, den Männern nach draußen zu folgen.
„Die älteren Kinder kümmern sich darum. Es ist ihre Aufgabe. Kommt, Mylady, die Luft draußen ist heute ganz besonders mild und angenehm.“
Draußen setzten sie sich auf hölzerne Bänke, die unter einem uralten knorrigen Baum standen. Die Sonne war bereits teilweise hinter dem Horizont versunken, sodass der Himmel in farbige Streifen rotgoldenen Lichtes getaucht war.
Bridget öffnete ihr Kleid am Halsausschnitt und legte das Baby zum Stillen an, und Briana fühlte bei diesem Anblick plötzlich einen Kloß im Hals.
Sie musste daran denken, dass wohl die meisten ihrer gleichaltrigen Freundinnen daheim auf Ballinarin inzwischen selber schon Familien gegründet hatten. Ihre Brüder hatten ebenfalls geheiratet und erfreuten sich vielleicht eigener Kinder. Nur sie war von dem natürlichen Lauf der Dinge ausgeschlossen worden, indem ihr Vater sie ins Kloster verbannt hatte. Ihr kam es so vor, als habe die Welt sich in den vergangenen drei Jahren ganz normal weitergedreht; nur sie, Briana, war zum Stehenbleiben verurteilt gewesen.
Keane trank genüsslich von seinem Ale und schaute einem Habicht zu, wie der ruhig über den Feldern kreiste. „Du kannst dich einen glücklichen Mann schätzen, Hugh“, sagte er. „Du hast eine nette Frau und eine großartige Familie.“
„Ja, Mylord, ich weiß. Und ich möchte sie alle hierbehalten, sicher und geborgen.“ Hugh wagte es tatsächlich, Keane bei seinen nächsten Worten direkt ins Gesicht zu schauen. „Aber immer häufiger frage ich mich, wie lange ich die Verantwortung für Frau und Kinder wohl noch übernehmen kann mit all den Engländern, die unser Land überschwemmen und täglich neue Opfer für ihren Blutrausch suchen.“
Als Keane nicht reagierte, wollte Hugh wissen: „Ihr habt doch gesehen, was diese Irren unseren Frauen und Kindern antun, nicht wahr?“
„Ja, ich habe es gesehen, Hugh.“
„Wir haben keinerlei Waffen, mit denen wir uns verteidigen könnten, Mylord.“
Keane nickte nur und führte erneut den Trinkbecher an die Lippen.
„Die Männer von Carrick möchten sich zu einer Widerstandsbewegung zusammenschließen, Mylord“, berichtete Hugh mit gedämpfter Stimme. „Wir bitten um Eure Erlaubnis, aus einigen unserer landwirtschaftlichen Geräte Waffen schmieden zu dürfen. Und des Weiteren bitten wir Euch, uns im Gebrauch dieser Waffen zu unterrichten.“
„Ihr wollt, dass ich euch den Umgang mit einem Schwert beibringe?“, vergewisserte sich Keane überrascht.
„Ja, Mylord. Und auch, wie man mit einem Messer sowie Pfeil und Bogen umgeht.“
Keane äußerte sich nicht, und so stand Hugh auf und stellte sich direkt vor seinen Herrn hin. „Es gab eine Zeit, Mylord, als Euer Großvater noch lebte, als die Menschen von Carrick in all diesen Fähigkeiten glänzende Kenntnisse besaßen. Wir waren stolz auf unser kriegstaugliches Können. Aber während der Herrschaft Eures Vaters verloren wir all unsere Kenntnisse.“
Offenkundig suchte Hugh nach Worten, die die Situation der Bauern realistisch beschrieben, ohne dabei den Vater des gegenwärtigen Herrn über Carrick zu beleidigen. Doch die aufgestauten Empfindungen brachen sich dann doch Bahn.
„Mylord, Euer Vater hatte mehr Interesse an pompösen Bällen und luxuriösen Galadinnern als an den Menschen, die ihm sein Leben in Saus und Braus überhaupt erst durch ihre Arbeit ermöglichten. Es wird sogar gemunkelt, dass er uns absichtlich sämtliche Waffen wegnahm, weil er zu den Engländern übergelaufen war.“
Hugh hielt inne, denn er erwartete einen heftigen Protest von Keane oder rechnete damit, zumindest unmissverständlich in die Schranken verwiesen zu werden. Als Keane jedoch auch weiterhin schwieg, wagte er noch einen weiteren Vorstoß.
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