155 - Briana - Tochter Irlands - Langan, Ruth
dieses unverbesserliche, fordernde kleine Frauenzimmer. Sie brachte ihn dazu, viel zu viel nachzudenken. Und dazu, zu viel zu wollen. Und dazu, sich sehnsüchtig zu verzehren nach Dingen, die er niemals würde haben können, nämlich Respekt und Achtbarkeit.
Und dann natürlich Liebe, wie er sie zwischen Hugh McCann und dessen Frau Bridget gesehen hatte.
Ach ja, Liebe! Keane seufzte aus tiefster Seele. Das war die eine Sache auf dieser Welt, die er sich sein Leben lang gewünscht hatte. Und bei der er in grenzenloser Verzweiflung jede Hoffnung aufgegeben hatte, sie jemals zu finden.
13. KAPITEL
Keane lehnte sich schwer auf die Balkonbrüstung und sah trübsinnig zu, wie im Osten soeben die Sonne aufging. Er hatte schlecht geschlafen. Und das nur wegen dieses Frauenzimmers unter seinem Dach! Briana nahm mit Sicherheit viel zu viel Zeit und Raum in seinen Gedanken, seinem Tun und überhaupt seinem Leben ein.
Eigentlich hätte er doch zufrieden sein sollen, dass sie und er in der Kutsche so harte Worte gewechselt hatten. Wenigstens hatte er an dem Abend keinerlei Bedürfnis mehr gehabt, sie zu verführen. Wahrscheinlich war das die erste Nacht, zu der er überhaupt eine derartige Erklärung abgeben konnte.
Keane war noch immer wütend auf sie. Briana war dafür verantwortlich, dass er ein Gefühl hatte, als ob sein Magen aus einem dichten Knäuel von Knoten bestünde. Sie hatte seine Treue, seine Ehre und seinen Mut infrage gestellt.
Und am schlimmsten daran war, dass er diese Tugenden jetzt bei sich selbst in Zweifel zog.
Doch welches Recht hatte Briana, solche verhängnisvollen Keime in sein Bewusstsein zu streuen? Er hatte doch wahrlich genug gelitten in seinem Leben und einen hohen Preis gezahlt. Und das alles nur wegen eines missverstandenen Sinnes für Pflichten gegenüber dem Land seines Großvaters. Und um die Sünden seines Vaters irgendwie zu sühnen.
Nein, nein und nochmals nein! Keane hieb mit der Handfläche auf die Balkonbrüstung. Er hatte seine Pflicht und Schuldigkeit mehr als ausreichend getan. Er wäre ja verflucht, wenn irgendein Mensch auf dieser Welt das jemals wieder infrage stellen würde. Er war fertig mit all diesen Dingen. Es stand für ihn fest, dass er nicht weiter für die Schwächen seines Vaters zahlen würde.
Plötzlich lenkte ihn ein Reiter, den er in größerer Entfernung ausmachte, von seinen Grübeleien ab. In der Morgensonne leuchtete ein rötlicher Lockenkopf auf.
Wenn er es nicht besser gewusst hätte, hätte er den fernen Reiter doch tatsächlich für Briana gehalten. Doch nein! Das war unmöglich. Sie würde es nicht wagen, nach dem schrecklichen Sturz noch einmal ohne Begleitung auszureiten.
Oder doch?
Keane stand schon in seinem Schlafgemach, zog Hosen, Stiefel und Hemd an und warf sich einen Umhang über die Schultern. Zielstrebig marschierte er hinüber zu Brianas Räumlichkeiten und fand dort die Tür offen stehen. Drinnen war Cora damit beschäftigt, sauber zu machen.
„Wo ist Miss O’Neil?“
„Ich weiß nicht, Mylord“, gab Cora verschreckt zur Antwort. „Sie hat das Haus vor nicht allzu langer Zeit verlassen. Sie trug ihre Reitkleider, und ich nahm automatisch an, dass sie Euch auf einem Ausritt begleiten würde.“
Keane kniff die Augen ein wenig zusammen, als ihm plötzlich ein unerhörter Verdacht kam. Ohne Cora noch eines Blickes zu würdigen, lief er nach unten in die Bibliothek, wo an der Wand über dem Kamin seine alten Schwerter hingen.
An dieser Stelle herrschte nun gähnende Leere.
Mit einem unaussprechlichen Fluch stürmte Keane nach draußen und rannte geradewegs hinüber zu den Ställen. Der Stallmeister bestätigte ihm, dass das Mädchen in der Tat ausgeritten war, und fügte bedeutungsvoll hinzu: „Mit Erlaubnis Eurer Lordschaft, sagte sie.“
Außer sich vor Wut und Sorge preschte Keane Minuten später auf seinem eigenen Pferd davon. Zwar konnte er Briana nirgends mehr sehen, aber er kannte die Richtung, in die sie geritten war. Es fiel ihm nicht schwer zu raten, wohin sie geritten sein mochte. Die Hütte der McCanns war höchstwahrscheinlich ihr Ziel.
Unwillkürlich musste er an das Sprichwort denken, das besagte, dass Tiger niemals ihre Streifen ändern. Und die kleine Tigerin, die unter seinem Dach lebte, hatte offenkundig beschlossen, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Briana wollte gegen die Engländer kämpfen auf die einzige Art und Weise, die sie kannte. Sie würde sich kopfüber in einen Kampf stürzen,
Weitere Kostenlose Bücher