155 - Reiseziel: Mars
Mayas verwunderten Blick von der Seite.
»Nur so ein Gefühl.«
Sie erreichten das Ende des Hauptgangs. Leto Angelis legte die flache Hand auf einen Sensor, und das Schott zur Kommandozentrale öffnete sich. Durch das bogenförmige Portal gelangten sie in den Passagierraum.
Dessen zweiundzwanzig Sitze waren leer, und eine geschlossene Luke verdeckte den Blick in das eigentliche, dreisitzige Steuerzentrum. Die restlichen Überlebenden der Mannschaft hielten sich hinter der Luke in der Bugspitze und in den anderen Abteilungen der PHOBOS auf.
Matts Blick fiel sofort auf eines der großen Rundfenster.
Dort schimmerte ein rötlicher Lichtrand im All. Marslicht! Er war wie elektrisiert.
Angelis öffnete eine Luke in der rechten Wand. Sie traten hindurch und stiegen die kleine Treppe zur Außenkuppel hinauf. Maya wischte sich verstohlen die Augen aus, in denen es feucht schimmerte.
Matt Drax konnte diese Gefühlsaufwallung zunächst nicht einordnen, doch dann machte er sich klar, dass diese Menschen monatelang im All und auf dem Mond gewesen waren. Für sie war es eine Heimkehr.
Die blasenförmige Erhebung auf dem Bug war transparent und ihr durchsichtiges Material so hochgradig rein, dass man es nicht wahrnahm. Der Eindruck, durch keinerlei Schutzwand von der schwarzen Unendlichkeit getrennt zu sein, erschreckte Matthew Drax für einen Augenblick. Doch schon im nächsten gab er sich der Faszination des Nachbarplaneten hin.
Wie eine auf der Nordhälfte von grünen und blauen Schlieren überzogene Kupferkugel hing die fremde Welt im Kosmos. Weite rötliche Flächen dehnten sich über die gesamte sichtbare Kugel aus. An einer Stelle war das Terraforming besonders weit fortgeschritten; hier erkannte Matt eine weitläufige grüne Fläche, und in direkter Nachbarschaft ein blau glitzerndes, großes Gewässer – entstanden vermutlich aus dem Aqua Norte, dem gefrorenen Eismeer, und dem Schmelzwasser der Nordpolkappe. Hier musste der Landeplatz der BRADBURY liegen, des Raumschiffs der ersten Siedler, und die Städte, die sich im Verlauf von fünfhundert Jahren entwickelt hatten. Die Kommandantin hatte ihm davon erzählt.
»Und, Maddrax?« Angelis’ Stimme klang heiser, Stolz schwang in ihr mit. »Was sagen Sie?«
Der Erdenmann aus der Vergangenheit sagte gar nichts. Der Anblick des roten Planeten, der gar nicht mehr so rot war, hatte ihm die Sprache verschlagen.
***
Eine Zeitlang saß der Uralte wie erstarrt. Seltsam leer blickte er vor sich hin. Vera Akinora begann sich Sorgen um seine Gesundheit zu machen, denn seine schmalen Schultern waren nach unten gesunken und seine langen knochigen Hände lagen wie leblos auf seinen spitzen Knien. Er sah aus wie ein Mann, aus dem von einem Atemzug auf den anderen sämtliches Leben gewichen war.
Windtänzer trat näher an das Feuer heran. »Hörst du, was die Dame Tsuyoshi sagt, Weltenwanderer? Mit dem Erdmann wird wahrscheinlich neues Wissen, vielleicht sogar neue Waffentechnik, in jedem Fall aber der ewige Zwist und unausrottbare Hader des verfluchten Erdgeschlechts in unsere Heimat eingeschleppt. Wir müssen…!«
Der Uralte winkte ab. Er fixierte die Frau streng. »Wie kommt ihr zu diesen Neuigkeiten?« Zum ersten Mal schaute er ihr in die Augen – und sie ihm. Erstaunliche Augen – das Feuer der Jugend brannte in ihnen, und ein Lebenswille, den Vera Akinora bei sich selbst schon lange nicht finden konnte. Hatte Windtänzer nicht gesagt, der Erste Baumsprecher sei neunundsechzig Marsjahre alt, also noch acht Marsjahre älter als sie selbst?
»Meine Tochter kommandiert die PHOBOS«, sagte sie.
»Das Raumschiff startete Ende vergangenen Jahres zur Mondstation. Dort fanden sie den Erdenmann. Bei ihm war eine Frau aus dem Hause Tsuyoshi, eine Blutsverwandte der Erzmutter Akina. ( eine der ersten Siedlerinnen auf dem Mars ) Sie lag im Koma und soll inzwischen tot sein.« Vera Akinora machte eine Pause, um dem Alten Zeit zu geben, das Gehörte aufzunehmen. Doch der gestikulierte ungeduldig, weil er mehr hören wollte. Sie erzählte ihm, was sie wusste, und schloss: »Der Rat hat meiner Tochter befohlen, den Mann zum Mars zu bringen. All das trug mir über verschiedene Boten ein guter Freund zu, der Verbindung zum Rat hat.«
»Ihre Tochter Maya ist meine Vertraute«, fügte Windtänzer hinzu. »Deren Tochter Nomi wiederum wächst bei uns und ihrer Großmutter auf. Maya Tsuyoshi steht auf unserer Seite, auch sie lebte eine Zeitlang bei uns. Zusammen mit ihrer Tochter und
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