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155 - Reiseziel: Mars

155 - Reiseziel: Mars

Titel: 155 - Reiseziel: Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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Keim zu verhindern.«
    »Wir werden ihn also entführen?«, fragte Vera Akinora.
    Wie ein warmer Strom wogte die Erleichterung durch ihren erschöpften Körper.
    Der Uralte nickte langsam. »Geht listig vor, kein Verdacht soll auf uns fallen. Holt ihn und versucht ihn zu den Lehren des Waldvolkes zu bekehren.«
    »Und wenn er sich nicht belehren lässt?«, fragte Windtänzer.
    »Dann wird er den Rest seines Lebens in Ketten verbringen, allein und hier in der Einöde dieser Grenzregion, wo die Seelen unserer Mütter und Väter ihn bewachen werden…«
    ***
    »Wann?« Kerzengerade saß Chandra auf der Kante ihres Sessels. Man wurde nicht jeden Tag zur Ratspräsidentin gerufen.
    »Sofort.« Der Mann im Display schien seine gelangweilte Miene gründlich einstudiert zu haben. Irgendein Sekretär im Vorzimmer des Vorzimmers des Sekretärs der Chefsekretärin der Präsidentin. Chandra hätte ihm gern etwas über Stil und sprachliche Gepflogenheiten Ratsmitarbeitern gegenüber erzählt, und es wäre nicht besonders herzlich ausgefallen, doch sofort klang irgendwie dringend, und sie hatte keine Zeit zu verschwenden. Also unterbrach sie einfach die Verbindung.
    Das junge Männergesicht im Display ihres Armbandrechners verblasste. »Schraubenwurm!« Sie lehnte sich zurück, verdrehte die Augen und seufzte. Termin bei der Ratspräsidentin! Was um alles auf dem Mars hatte das jetzt wieder zu bedeuten?
    Wehmütig blickte sie erst nach rechts, wo auf einem Lesepult zwei aufgeschlagene Bücher lagen – Originalquellen –, und dann auf das Hauptdisplay ihres Arbeitsterminals. Die Übersetzungen der alten Texte hätten in drei bis vier Stunden fertig sein sollen. Es ging nur um Vorstudien zur eigentlichen Forschungsarbeit, die man ihr anvertraut hatte – eine Untersuchung des Einflusses antiker monotheistischer Religionen auf die Außenpolitik irdischer Großmächte. Seit gestern Abend sollte die Übersetzung erledigt sein.
    Aber gut, jetzt war ein Gespräch bei der verehrten Dame Präsidentin angesagt. Worüber auch immer.
    Chandra seufzte, bückte sich nach der untersten Schublade ihres Arbeitspultes und zog sie bis zum Anschlag auf. Ganz hinten, sorgfältig gebettet unter dem Seidensäckchen mit ihrem abgeschnittenen Haar und zwischen noch verpackten Stapeln von Visitenkärtchen lag ein dunkelrot schillerndes Chitin-Etui.
    Ein Erbstück ihrer Großmutter. Chandra holte es heraus, die Lade schob sie mit dem Fuß zu.
    Einen Augenblick saß sie reglos mit dem Etui in den Händen und lauschte ihrem Herzschlag: deutlich beschleunigt und schon im Hals spürbar. Wie ärgerlich! Immer dieses Gefühl auf dem Prüfstand zu stehen! Wann würde sie jemals lernen, Gesprächen mit ranghöheren Persönlichkeiten gelassen entgegenzusehen? Andererseits kannte Chandra niemanden, der gelassen zu einem Termin bei der Ratspräsidentin ging; geschweige denn gern. Cansu Alison Tsuyoshi galt als unberechenbar, unter anderem.
    Sie schob Tastatur und Exzerptzettel zur Seite, öffnete das Etui und entnahm ihm einen Stoß Karten. So viel Zeit musste sein. Während sie mischte, schloss sie die Augen und murmelte vor sich hin. »Wird sie mich in die Baumschulen der Grenzgebiete versetzen, oder wird sie mich zur Beraterin befördern? Habe ich gute Nachrichten zu erwarten oder schlechte?« Mit einer einzigen routinierten Bewegung warf sie die Karten so auf das Pult, dass sie zu einem Halbkreis auseinander fächerten.
    Die Karten waren abgegriffen, manche geklebt. Frauen aus fünf Tsuyoshi-Generationen hatten sie benutzt. Auf den ehemals schwarzen und inzwischen dunkelgrauen Rücken trugen alle dasselbe Motiv: eine stilisierte Darstellung des Sonnensystems. Die Planeten konnte man nur noch undeutlich erkennen, die Sonne und die wenigen Sterne waren mit echtem Gold aufgeprägt und glänzten auch nach zwei Jahrhunderten noch.
    Chandra öffnete die Augen und ließ ihre Rechte dicht über dem Halbkreis aus Karten schweben, dabei wiederholte sie in Gedanken ihre Fragen. Sie deckte die erste Karte auf: eine Pyramide mit dreieckiger Grundfläche aus der Vogelperspektive, an jeder Ecke ein Sonnenrad. Die Arbeitskarte. »Viel Arbeit, großes inneres Engagement gefordert…« Sie schüttelte den Kopf und spähte zu den aufgeschlagenen Quellentexten. »Sehr witzig.«
    Die zweite Karte zeigte die zu einer Acht gerollte Riesenschlange; in jedem der beiden so entstandenen Kreise leuchtete das uralte Symbol der ewigen kosmischen Dialektik, das Zeichen für Yin und Yang. Die

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