1551 - Das Vampirhaus
Es gab an der linken Seite ein Fenster, das zur rückwärtigen Seite des Hauses führte. Sie hatte immer in den kleinen Hof schauen können.
Laura schaltete das Licht nicht ein.
Ihre Augen gewöhnten sich schnell an das schummrige Dunkel. Und dann schaute sie auf das Bett.
Es war nicht leer. Jemand saß darauf. Das Bett stand so, dass der Liegende oder Sitzende zur Tür schauen konnte.
Die Gestalt bewegte sich nicht.
Laura traute sich nicht, etwas zu sagen. Ihr fiel die Stille auf, in der kein Atemgeräusch zu hören war. Und noch etwas erschnupperte sie.
Blutgeruch!
Unendlich langsam bewegte sie den rechten Arm, um an den Lichtschalter zu gelangen.
Unter der Decke hing die alte Lampe mit den drei Schalen. Hier war noch jede Birne in Ordnung.
Es wurde hell. Laura blickte zum Bett und hatte das Gefühl, einen heftigen Schlag in den Magen erhalten zu haben.
Im Bett saß ihr toter Vater!
***
Karl Kendic bot ein Bild des Schreckens!
Man hatte den Toten regelrecht drapiert. Er war so hingesetzt worden, dass er nicht nach vorn fallen konnte. Möglicherweise war er auch festgebunden. Sein Kopf war nach vorn gesunken. Es sah aus, als wäre er im Sitzen eingeschlafen.
Und dann das Blut!
Es war überall. Der Körper musste regelrecht ausgeblutet sein. Und das, weil man dem Toten die Kehle durchgeschnitten hatte. Sein Hemd war aufgerissen, sodass sich das herablaufende Blut auf seiner Brust hatte verteilen können.
Laura bewegte sich nicht von der Stelle. Aus leeren Augen schaute sie auf diese grausame Inszenierung. Sie sprach nicht, sie dachte nicht, sie war einfach nur leer. Als Polizistin so etwas sehen zu müssen war auch für sie neu. Zumindest in natura.
Hinzu kam, dass der Tote auf dem Bett ihr eigener Vater war.
Womöglich hatte man ihn vor seinem Tod grausam gefoltert, aber sie entdeckte keine anderen Wunden an seinem Körper. Vielleicht, wenn sie näher an den Toten heranging.
Das traute sie sich jedoch nicht. Sie wollte sich einreden, dass ihr Vater für sie ein Fremder war.
Nein, nicht er. Bitte, das kann nicht sein. Es ist…
Ihre Gedanken brachen ab. Sie spürte, wie aus ihrer Magengegend etwas in die Höhe stieg. Es war nicht zu beschreiben. Es konnte Übelkeit sein, es konnte Panik sein, und sie wusste plötzlich, dass sie den Anblick des Toten nicht länger ertragen konnte.
Sie drehte sich um. Es geschah mit einer schwankenden Bewegung, die aussah, als würde sie über die eigenen Beine stolpern und hinfallen.
Der Türpfosten war ihre Rettung. An ihm stützte sie sich ab und hielt sich auf den zitternden Beinen. Aus ihrer Kehle drangen Würgelaute, auch noch, als sie ein paar Schritte auf den Flur taumelte.
Alles schwankte vor Lauras Augen, und es war ihr Glück, dass ihre Knie nachgaben. So sackte sie auf der Stelle zusammen, kippte nach hinten gegen die Wand.
Dort hockte sie dann. Es kam schon einem Zufall gleich, dass sie die gleiche Haltung angenommen hatte wie ihr Vater. Nur mit dem Unterschied, dass sie lebte und er nicht.
Auch ihr Kopf sank nach vorn, und dann endlich ließ sie ihren Tränen freien Lauf.
Laura Kendic weinte wie noch nie zuvor in ihrem Leben…
***
Gestartet war ich in London, in Köln zwischengelandet und umgestiegen in die Maschine nach Klagenfurt, denn dort wollte mich mein deutscher Freund Harry Stahl erwarten, der bereits vorgeflogen war und gewisse Dinge vorbereiten wollte.
Beim Landeanflug sah ich den Wörthersee wie platt gewalzt in der Landschaft liegen. Kleinere Orte zogen Urlauber an wie der Honig die Bienen, aber nicht um diese Zeit. Es gab zwar Berge in der Nähe, aber da fuhr man nicht Ski. Diese Gebiete lagen weiter nördlich.
Der Pilot brachte seine Maschine glatt auf die Piste und gab mir vor dem Aussteigen meine Waffe zurück.
»Viel Spaß noch im Land der Europameisterschaft.«
»Danke. Aber ich bin nicht hier, um mich zu erholen. Leider nicht.«
»Trotzdem einen angenehmen Aufenthalt.«
»Ich werde mich bemühen.«
Wenn man andere Flughäfen von der Größe her mit einem Fußballfeld verglich, dann war dieser hier in Klagenfurt so groß wie ein Wohnzimmer. Wir mussten in keinen Bus steigen, sondern schlenderten vom Rollfeld zur Abfertigung. Zeitlich war auch alles im grünen Bereich, und ich ging davon aus, dass ich Harry Stahl bald die Hand schütteln konnte.
Er war auch nicht zu übersehen in seiner gefütterten grünen Winterjacke, die er nicht geschlossen hatte. Dazu trug er eine braune Hose und einen beigen Pullover.
Nicht mal
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