1552 - Tolots Terror
und zu wenig mit den Leuten. Trotzdem, unter Umständen gibt es einen besseren Weg, als uns zu beschränken."
„Welcher wäre das?" fragte der Friedensstifter.
Jetzt hatte Prina Mühe, ihre Stimme unter Kontrolle zu halten.
Durch Zufall sah sie die Gelegenheit, die sie sich erhofft hatte. Sie beruhigte mühsam das Zittern ihrer Hände und fing erst dann zu reden an. Daß Shaenor die Zeichen sah und ganz sicher zu deuten wußte, war ihr egal. „Man könnte Sagno Ciff erweitern, hätten wir eine Sprachschule.
In dem Fall wäre das innere Gleichgewicht der Siedlung gewährleistet.
So haben wir nur einen einzigen Schlichter, und das ist zu wenig. „ Shaenor lachte, doch seine Stimme klang keineswegs verletzend dabei. „Wäre es möglich", fragte er, „einen Augenblick lang anzuhalten?
Ich würde gern ein paar Schritte gehen."
Prina stoppte den Ciffton. Sie stiegen aus und ließen das Gefährt am Straßenrand stehen. Ungeduldig beobachtete sie, wie der Friedensstifter mit den Füßen die grob behauene Fahrbahnoberfläche abtastete. Wahrscheinlich die Erinnerungen seiner Jugend, dachte sie. Womöglich war es der ganz falsche Moment für ein Gespräch.
Eine andere Chance jedoch würde sie nie wieder bekommen.
Gemeinsam setzten sie sich in Richtung einer Bergkuppe in Bewegung.
Ihre Schritte hallten ein wenig, der Friedensstifter musterte dabei wehmütig die bewachsenen Schalen und die mit Erde gefüllten Rinnen am Straßenrand. „Ich erinnere mich", antwortete er nach einer Weile. „Die Sprachschule auf Sagno Ciff. Ich sehe jetzt, daß du immer noch daran denkst, Prina Mauenhaudi."
„Sie denkt Tag und Nacht daran", ergänzte Kogano Mint.
Prina warf dem anderen einen verweisenden Blick zu, doch Aramus Shaenor legte ihr besänftigend eine Hand auf die rechte Schulter. „Du weißt, woran es hängt, ob eine Sprachschule eröffnet wird.
Ein Friedensstifter oder Schlichter muß den ersten Schritt tun. Das ist in jedem Fall ein schwerer Schritt, denn das ganze weitere Leben wird unweigerlich damit verplant."
„Überlege du dir diesen Schritt, ich bitte dich! Sagno Ciff braucht dich! Du bist hier geboren, Aramus!"
„Nein. Meine Loyalität gehört allen Linguiden. Nicht nur vierhundert von ihnen und zweitausend Gästen."
„Erinnerst du dich noch an Honn?"
„Sicher. Er war mein erster Lehrer."
„Honn jedenfalls ist nicht bereit, die Sprachschule zu eröffnen.
Und doch ist es der dringendste Wunsch meines Lebens, daß es zur Eröffnung einer Schule kommt. Deshalb habe ich keine andere Wahl, als dich nochmals zu bitten."
„Hör zu, Prina..."
Seine Stimme klang so einschmeichelnd und gleichzeitig offen, daß sie mit jedem Laut fühlte, wie ihre Gedanken an Präzision verloren.
Das Gefühl war angenehm, ja; mit einemmal schwand das Trauma, das sie so viele Jahre mit sich herumgeschleppt hatte. Es war so einfach.
Aber etwas in ihr wehrte sich. Ruckartig blieb sie stehen. „Schweig!" rief Prina.
Sie schloß die Augen und sagte: „Nein, Aramus. Bitte nicht. Ich möchte meine Überzeugung weiter verfechten, weil sie recht ist."
„Prina. Du bist sehr unglücklich damit, das kann ich sehen, hören und sogar riechen. Ich will nicht, daß du unglücklich bleibst."
„Soll das heißen, du hilfst mir nicht?"
„Die Initiative liegt allein bei eurem Schlichter."
„Also bei Honn." Das letzte Wort stieß sie fast abfällig aus, auch wenn eine solche Entgleisung ihr vor einem linguidischen Friedensstifter peinlich war. „Ja, bei Honn. Ich bemerke mit Schrecken, wie sehr du ihn mißverstehst. „ Diesmal klang Shaenors Stimme nicht mehr einschmeichelnd, sondern tadelnd und zornig. „Honn war der beste Schüler seines Meisters, und er stand so nahe vor dem großen Sprung. Er wäre einer der größten Friedensstifter geworden, die unser Volk jemals hervorgebracht hat."
„Aber jetzt ist er bei uns. Er soll sich seiner Anlagen würdig zeigen. „ „Du redest, ohne zu denken", tadelte Shaenor. Seine Flammenfrisur schien wütend aufgerichtet; empört über so viel Ignoranz. „Honn stand fast auf dem Gipfel. Er ist gestürzt, ohne daß er etwas dazu tun konnte. Manchen Schülern passiert so etwas, ein tiefer Fall ohne Halt. Viele verlieren das Talent sogar ganz. Honn kann noch von Glück sagen, daß ihm etwas davon übriggeblieben ist."
Aramus Shaenor beruhigte sich ein wenig. Er reckte das Kinn, schaute in den Sternenhimmel und drehte sich dann um. „Begreife doch, Prina: So tief zu fallen, ist ein
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