1552 - Tolots Terror
nicht ändern konnte. Niemand hätte viel Interesse dafür aufgebracht.
An diesem Tag jedoch geschah etwas anderes. Und dafür interessierte sie sich sehr wohl. „Prina! Gut, daß du kommst! Ich habe etwas für dich!"
Gegen das Panorama der Berge und den Sternenhimmel erkannte sie Koganos stämmige Figur. Winkend kam er herangerannt, und sie erkannte allein an der Bewegung seiner Schultern, daß er aufgeregt war. „Was ist los? Sag schon!"
Er nahm sie beim Arm und drückte ihn zärtlich. Das jedoch war die einzige Vertrautheit, die sich der andere erlaubte. „Etwas, was dich interessieren wird! Du wartest doch schon lange auf eine Gelegenheit, einen Friedensstifter persönlich anzusprechen."
„Und?"
„Aramus Shaenor ist auf dem Weg hierher!"
Allein der Name weckte Erinnerungen. Den Gedanken an einen Jungen von neun Jahren, das größte Sprachtalent, das Sagno Ciff jemals hervorgebracht hatte. Sie erinnerte sich auch an das einzige Gespräch zwischen ihnen. So sehr hatte seine Absage an ihren großen Plan sie geschmerzt, daß sie bis heute nicht darüber hinweg war. „Was interessiert mich Aramus Shaenor? Er kommt doch jedes Jahr hierher. Sein Kima-Strauch steht irgendwo im Süden, im großen Krater, das weiß ich wohl. Er wird die Mondstadt nicht besuchen.
Und eines kannst du glauben, Kogano: Ich spioniere ihm bestimmt nicht an seinem großen Tag hinterher."
„Das weiß ich doch, Prina." Der stämmige Linguide ging voraus in Richtung der neuen Schaltzentrale. „Aber diesmal ist es anders.
Aramus besucht die Stadt. Er will wissen, was aus der Stätte seiner Kindheit geworden ist."
Mit einem Ruck blieb sie stehen. „Wann kommt er?"
„In einer halben Stunde. Sein Beiboot soll auf dem großen Landefeld heruntergehen."
„Komm mit, Kogano. Dabei kannst du mich nicht allein lassen."
Prina fuhr herum und wandte sich den Cifftons zu, die an der Straße standen. Kogano Mint folgte eher widerstrebend; doch er schien einzusehen, daß er in der Tat keine Wahl hatte.
Gemeinsam bestiegen sie die Plattform. Wieder einmal wünschte sich Prina Mauenhaudi, Sagno Ciff hätte über schnelle Gleiter verfügt, doch mit diesem Wunsch war sie die einzige hier oben. Alle anderen liebten die Beschaulichkeit. Man fühlte sich dem Kosmos nahe in der Mondstadt. Und das Herz des Kosmos schlug nun einmal langsam. „Da kommt er schon", sagte Kogano.
Sein Arm deutete hinauf in den Sternenhimmel, wo eines der Lichter rasch zu einer Scheibe, dann zum Umriß einer Landungsfähre anwuchs.
Es war das Beiboot eines berühmten Schiffes, der VAROAR. Viele Geschichten rankten sich um den 200-Meter-Raumer, den Aramus Shaenor vor einigen Jahren vom gleichfalls legendären Baiin Weydar übernommen hatte. Geschichten von Missionen, die stets mit der Befriedung eines Krisengebiets oder weisen Entscheidungen geendet hatten. Jeder Linguide hegte höchste Bewunderung dafür. Wenn es etwas gab, was das Individualistenvolk der Linguiden vereinte, so war es ein Symbol: das der Friedensstifter.
Und nun, nach Neuer Galaktischer Zeitrechnung im Jahre 1168, gehörte Shaenor selbst zu ihrer Riege - zu jenen Frauen und Männern, die die Linguiden im umliegenden Sterngebiet repräsentierten.
Zu denen, die das höchste Talent besaßen.
Sacht wie eine Feder ging das Beiboot nieder. Es durchstieß eine Lücke im Schutzschirm und wurde auf einen freien Platz des Landefelds geleitet. Eine einzelne Gestalt verließ das Innere. „Er ist es wirklich", murmelte Kogano Mint aufgeregt. „Das letztemal bin ich ihm vor zehn Jahren kurz begegnet. Das war, als sein Vater starb."
„Der Aramus Shaenor von heute ist ein anderer", sagte Prina. „Er muß sich sehr verändert haben."
Mit unverhohlenem Interesse musterte sie die Gestalt, die sich mit verhaltenen Schritten der eigentlichen Kuppelstadt Sagno Ciff näherte.
Shaenor war etwa einsachtzig groß, und seine Haartracht sah aus wie nach oben züngelnde Flammen. Seit seiner Jugend hatte er die Frisur bis zur Perfektion weiterentwickelt. Alle Tonnuancen von Purpur fanden sich als Färbung, wobei die Grundfarbe inzwischen zu einem fast harten Eisengrau geworden war.
Merkwürdig, dachte Prina. Sie hatte ihn viel weicher in Erinnerung.
Und nun fiel es ihr schwer, sich mit der Realität vertraut zu machen.
Das Charisma dieses Fremden schlug sie unverzüglich in seinen Bann. Aramus Shaenor galt als Meister aller Meister - als der talentierteste der Friedensstifter. Wenn es eine Person gab, die ein solches
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