1555 - Zu Arkons Ruhm und Ehre
beruhigen. „Deswegen brauchst du dir keine Vorwürfe zu machen. Ich bin sicher, daß Enderoa für deine Offenheit mir gegenüber Verständnis haben wird, wenn ich ihm klarmache, worum es hier geht."
Theta von Ariga machte stumm das Zeichen der Zustimmung. Sie nippte gedankenverloren an ihrem Becher. „Willst du dir den Rest des Videos ansehen?" fragte sie nach einer Weile. „Später", antwortete er. „Laß mir die Geräte hier. Ich brauche zuerst einmal ein wenig Spielraum zum Nachdenken."
Sie verstand den Hinweis und erhob sich sofort. „Ich will dich nicht stören", sagte sie. „Wenn du Fragen bezüglich der Aufzeichnung hast: Du weißt, wo ich zu finden bin."
Er winkte ihr zu. Die Geste bedeutete Verabschiedung und Dank zugleich. Theta von Ariga wandte sich ab und schritt in Richtung des Ausgangs. Er sah ihr nach. Sie war eine schöne Frau - aufregend genug, um auch das Blut eines Mehrtausendjährigen in Wallung zu bringen. Die Tür schloß sich hinter der hochgewachsenen Gestalt.
Atlan zwang seine Gedanken in eine andere Richtung.
Es war Nacht über diesem Teil der Kristallwelt. Wenn er die Rundumsicht einschaltete, sah er die Lichtfülle des Kugelsternhaufens M13, in dessen Zentrum die Sonne Arkon ihren Standort hatte. Die funkelnden Leuchtpunkte der Sterne, viele von ihnen rötlich strahlende Mitglieder der Population II, drängten sich in unglaublicher Dichte. Nacht wurde es über Arkon lediglich per Dekret des Chronometers. An Helligkeit gab es zwischen Tag und Nacht keinen nennenswerten Unterschied. Hunderttausend Sterne, einige unter ihnen nur Lichtwochen entfernt, überzogen das nächtliche Firmament mit einem funkelnden, glitzernden Lichterteppich, der nur wenige, winzige Löcher hatte, durch die die Schwärze des freien Raumes hereinschauen konnte.
Im großen Trichterhaus, das man ihm zur Verfügung gestellt hatte, herrschte Stille. Draußen auf den Terrassen waren geräuschlose Roboter unterwegs, die die Zierpflanzen pflegten und versorgten. Der große Springbrunnen, der den Grund des Trichters schmückte, war gedrosselt worden, so daß man sein Plätschern in den oberen Etagen nicht mehr hören konnte. Eine Atmosphäre des Friedens erfüllte das Innere des mächtigen Gebäudes.
Es war seltsam, dachte Atlan, wie rasch sich die Ziele änderten. Vor wenigen Wochen noch war alle Aufmerksamkeit darauf konzentriert, eine Methode zu entwickeln, wie die Kunstwelt Wanderer und ihr Bewohner ES auf dem schnellsten Weg gefunden werden könnten. Heute ging es darum, das Geheimnis der Herkunft des Volkes der Linguiden zu enträtseln.
Nichts hatte den ehemaligen Zellaktivatorträger näher am Herzen gelegen, als zu ihrem früheren Gönner, dem Überwesen ES, vorzudringen und es über die Irrtümer aufzuklären, denen es zum Opfer gefallen war. ES hatte den Aktivatorträgern die kostbaren Geräte unter dem Vorwand abgenommen, die seinerzeit gestellte Frist von 20000 Jahren sei abgelaufen. Als kleiner Trost war den auf solche Weise zum Tode Verurteilten eine Zelldusche verabreicht worden, die das Unvermeidliche um 62 Jahre hinausschieben würde. Seit den Ereignissen des Dezember 1171 war jedoch klar, daß ES auch die Wirkung der Zelldusche nach einem anderen, falschen Kalender berechnete. Die Dusche war im Oktober 1169 verabreicht worden. Im Dezember 1171 hatten die früheren Aktivatorträger alles Recht gehabt zu glauben, von der 62-Jahresfrist seien bislang wenig mehr als zwei Jahre verstrichen. Auf Wanderer war man jedoch anderer Ansicht. ES gab unzweideutig zu verstehen, es wären bereits zwanzig Jahre vergangen. Was das für die ehemaligen Zellaktivatorbesitzer bedeutete, lag auf der Hand. Sie waren ihres Lebens nicht mehr sicher. Es konnte der Superintelligenz schon morgen einfallen, die 62 Jahre wären abgelaufen. Ob die Wirkung der Zelldusche sich davon beeinflussen ließ, wie sehr ES sich bei der Bestimmung des Zeitablaufs verrechnete, blieb dahingestellt. Es war jedoch eine Möglichkeit, mit der man rechnen mußte.
Dann aber war plötzlich die Frage nach der Abstammung der Linguiden aufgetaucht. Die Suche nach Wanderer und der Superintelligenz wurde deswegen nicht aufgegeben. Myles Kantor und sein Projektteam sowie das Galaktische Ortungssystem (GALORS) waren weiterhin an der Arbeit. Und wenn das Schicksal gnädig war, würden sich eines Tages vielleicht auch die Nakken bereit finden, mit den Terranern ernsthaft und zuverlässig zusammenzuarbeiten.
Es war erst wenige Jahre her, daß die
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