1562 - Totentanz im Tanga-Club
nichts. Aber ich wollte auch nicht an der Theke stehen bleiben und stieß mich vom Handlauf ab, um auf die Frau mit dem Verletzten zuzugehen.
Mein Plan war, ihre Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen. Ich wollte, dass die drei Männer in Ruhe gelassen wurden, zumindest für eine gewisse Zeitspanne.
»Was willst du?«, sprach mich die Blonde an.
»Es ist ganz einfach. Ich will, dass du verschwindest und deine Freundinnen mitnimmst.«
»Wir haben noch etwas zu erledigen, das weißt du doch.«
»Ja, ich weiß es. Mir ist auch bekannt, was diese Männer euch angetan haben. Aber ihr seid nicht berechtigt, sie zu richten. Das obliegt einzig und allein dem Gesetz. Ich werde dafür sorgen, dass sie vor ein Gericht gestellt werden. Hier herrschen Recht und Gesetz und keine Lynchjustiz, wie ihr es vorhabt.«
»Es ist unsere Gerechtigkeit. Wir können es nicht hinnehmen, dass wir so behandelt werden.«
Ich stimmte ihr erst mal zu. »Ja, das ist alles richtig. Diese Männer haben Schuld auf sich geladen. Sie werden dafür auch büßen. Aber nach unseren Regeln, nicht nach euren!«
»Nein!«
Wir starrten uns an. Der kalte Glanz in ihren Augen war geblieben. Das eigentlich hübsche Gesicht hatte durch die Starre einen hölzernen Ausdruck angenommen, und ich wusste, dass mir jemand gegenüberstand, den ich als kompromisslos einstufen musste. Wir beide würden auf keinen gemeinsamen Nenner kommen. Da war der Einfluss der mächtigen Assunga zu stark.
Larry stöhnte nun leiser. Jetzt fiel mit auch auf, dass seine Hände blutige Stellen zeigten. Die Hexen mussten ihn gefoltert haben. Und das hatten sie auch mit den anderen drei Männern vor. Ich musste sie beschützen.
»Wir werden sie uns holen und uns rächen!«, erklärte die Blonde. »So ist es vorgesehen.«
»Ja, das kann ich mir denken. Aber ich habe etwas dagegen. Geh und nimm deine Hexenschwestern mit. Überlass diese Männer mir. Ich schwöre, dass sie für ihre Tat bestraft werden.«
Mehr konnte ich nicht tun, aber auf diesen Kompromiss ließ sich die Hexe nicht ein, und auch ihre Freundinnen dachten so.
Sie hatten vor der offenen Tür gewartet und waren nicht für jeden Gast zu sehen gewesen. Das änderte sich jetzt, als sie ihren Platz vor der Tür verließen und sich in den Gastraum schoben…
***
Es war ein Auftritt, der dem Ernst der Lage nicht angemessen war.
Da waren nun vier nur knapp bekleidete Frauen erschienen, die ihre Körper regelrecht zur Schau trugen, und man hätte meinen können, dass der Tanga-Club hierher verlegt worden wäre.
Drei Mädchen waren hellhäutig. Eine hatte eine dunkle Hautfarbe. Ihr glattes, mit hellen Strähnen gefärbtes Haar war durch einen Mittelscheitel in zwei Hälften geteilt, die noch stark eingegelt waren. Auf dem Gesicht der Frau, die einen silberfarbenen Tanga trug, glänzte es in allen Farben, die ein bestimmter Puder hinterlassen hatte.
»Das glaube ich nicht!«, hörte ich die Stimme der Kellnerin. »Das ist ja irre…«
Mit Glauben hatte dieser Auftritt leider nichts zu tun. Er war real, er war wahr, und hier wurde uns nichts vorgegaukelt. Assunga hatte ihre Truppe geschickt, um abzurechnen.
So unterschiedlich die Frauen auch aussahen, eines hatten sie gemeinsam. Es war der gnadenlose Blick ihrer Augen, der für mich nicht mehr menschlich war. Dahinter steckte die Kraft der Superhexe Assunga, und sie hatte ihre Schwestern geschickt, die auch ich nicht würde aufhalten können.
Dass es keinen Sinn mehr hatte, hier noch groß zu reden, war mir eigentlich klar.
Aber ich gab nicht auf. Ich wollte den Hexen demonstrieren, dass mir die Menschenleben wichtiger waren, und deshalb verließ ich meinen Platz.
Ich brauchte nur wenige Schritte, um mein Ziel zu erreichen. So blieb ich vor dem Tisch mit den drei Männern stehen, die einem wahnsinnigen Druck ausgesetzt sein mussten. Ich konnte sogar ihren Angstschweiß riechen.
Sie litten. Sie hatten Angst. Ihr Atmen glich mehr einem leisen Hecheln und auch Stöhnen.
»Helfen Sie uns!«, flüsterte einer. »Das können Sie doch nicht zulassen!«
»Halten Sie den Mund. Sie haben genug Schuld auf sich geladen. Es war Wahnsinn, was Sie da gemeinsam getan haben, und es ist durch nichts zu entschuldigen.«
»Das wissen wir. Aber es gab keine andere Möglichkeit. Wir wollten sie weghaben.«
»Durch Mord?«
»Sie war eine Hexe! Wir haben es immer gewusst. Und jetzt haben die anderen Hexen uns den Beweis geliefert.«
»Cora Bendix war keine Hexe.«
»Aber sie hätte eine
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