1566 - Das Musical-Gespenst
gehalten, dass es ein echtes Gespenst geben würde. Zu unterscheiden ist das unechte vom echten nicht, und deshalb wird die Überraschung umso größer sein, denn ich werde die Bühne in eine Hölle verwandeln.«
Johnny hörte zu und staunte. Was sie ihm gesagt hatte, war furchtbar, und ihm wurde klar, dass sie Zeugen nicht mehr am Leben lassen konnte, wenn alles so laufen sollte, wie diese Indra es sich vorgestellt hatte.
»Dann bist du kein richtiger Mensch oder eine normale Frau?«
Sie hob als Antwort nur die Schultern.
»Und wo ist die echte?«
Indra lächelte. »Eine gute und berechtigte Frage, auf die ich dir eine Antwort geben werde, denn die hast du verdient. Die unechte Indra ist noch da. Möchtest du sie sehen?«
»Wenn du willst?« Johnny redete jetzt nur noch, um Zeit zu gewinnen.
»Gut, komm mit.«
Johnny wunderte sich darüber, dass alles so normal ablief. Er ließ die Gestalt nicht aus den Augen, die sich so natürlich bewegte, dass er an eine Schauspielerin erinnert wurde. Bisher kam ihm alles wie eine Farce vor, ein Schauspiel, in dem er als Statist mitspielte.
»Komm mit!«
Johnny blieb nichts anderes übrig. Wenn er sich gegen sie stellte, konnte es lebensgefährlich für ihn werden. Es war erst mal wichtiger, diese Indra nicht zu reizen.
Und so ging er hinter ihr her in einen für ihn unbekannten Teil unter der Bühne. Was ihn erwartete, wusste Johnny nicht, aber er ging von dem Schlimmsten aus.
Sein Herzschlag hatte sich beschleunigt. Johnny dachte daran, dass er schon in zahlreichen lebensgefährlichen Situationen gesteckt hatte, aber keine war wie die andere. Er hatte sich immer wieder neu darauf einstellen müssen, und das geschah auch jetzt.
Indra brauchte das Licht nicht. Trotzdem ließ Johnny seine Leuchte brennen, auch wenn der Strahl zu Boden fiel und dabei ihren Weg markierte.
Es sah so aus, als wollte Indra gegen die nahe Wand laufen. Das traf jedoch nicht zu, denn kurz davor blieb sie stehen. Sie drehte sich zu Johnny um, nickte und sagte: »Hier ist es.«
»Wo?«
»Schau nach unten.« Nach dem Satz trat sie einen Schritt zur Seite, damit er freie Sicht hatte.
Eine kurze Bewegung mit der Hand, und dann traf der Lichtstrahl von Johnnys Taschenlampe sein Ziel, das sich dicht vor der Wand befand.
Johnny war überrascht, als er auf eine dunkle Truhe ohne Beschläge, aber mit einem halbrunden Deckel schaute. Sekundenlang ließ das Gespenst ihm Zeit, bevor es ihn ansprach.
»Willst du den Deckel nicht öffnen?«
»Nein.« Es war eine spontane Antwort. Sie entsprach Johnnys Gefühlslage.
Indra lachte knirschend. »Soll ich es tun?«
»Deine Sache.«
»Okay.« Sie stellte den Stab gegen die Wand. Eine Hand benötigte sie nur, um die Truhe zu öffnen. Sie hob den Deckel sehr langsam an, weil sie es spannend machen wollte. Als sie ihn ganz hochgeschwungen hatte, wurde er von der Wand gehalten.
»Bitte, schau hinein.« Sie trat zur Seite, um Johnny Platz zu machen.
Vorsichtig ging er weiter. Schweiß bedeckte seinen Körper, und erneut schlug sein Herz schneller.
Die Truhe war nicht leer.
Jemand lag darin.
Es war eine Person, die Indra bis aufs Haar glich. Sogar ihre Utensilien hatte sie dabei. Und doch gab es einen gewaltigen Unterschied. Im Gegensatz zu Indra war sie tot, denn man hatte ihr die Kehle zerbissen…
***
Obwohl Johnny mit etwas Schlimmem gerechnet hatte, traf ihn doch fast der Schlag. Etwas rann heiß durch seine Adern. Bisher hatte er immer noch nicht richtig glauben können, dass er und Stevie in ein teuflisches und mörderisches Spiel hineingezogen worden waren, doch den endgültigen Beweis hatte er jetzt vor sich liegen, und er merkte, das ihm die Knie weich wurden.
Er schrie nicht. Er stöhnte auch nicht. Er presste die Lippen hart zusammen und schaute auf das schlimme Bild nieder. Durch seinen Kopf zuckten zahlreiche Gedanken, die er kaum zur Kenntnis nahm, ihm aber das Gefühl gaben, sich in einem Karussell zu befinden.
»He, was ist mit dir?«
Johnny konnte nicht antworten.
»Hast du etwa alles für einen Spaß gehalten?«
Er hatte sich wieder gefangen. Das Licht strahlte nicht mehr in die Truhe hinein, es huschte zittrig über die Wand.
Die Schauspielerin, die das Musical-Gespenst spielte, lag tot vor ihm.
Indra würde weitermachen, und sie hatte sich einen perfekten Zeitpunkt ausgesucht. An diesem Abend war spielfrei. Da hatte sie sich leicht an die Schauspielerin heranmachen und sie aus dem Verkehr ziehen können.
Eine durchbissene
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