1567 - Die Auserwählten
hatte.
*
Am nächsten Tag ließ sie ihre Schüler sämtliche Gänge des Roten Palasts oberflächlich erforschen.
Sie glaubte nicht, daß auf ganz Ferrol ein besseres Museum zur Verfügung stand. In den Kelleretagen befand sich außerdem ein umfangreiches Archiv; Material genug für mehrere Jahre Forschung.
Gegen Mittag ließ Hagea aus der DARMIR für jeden von ihnen einen Mikrogravitator besorgen. Kein Linguide war bei 1,4 gSchwerkraft lange imstande, volle Leistung zu bringen. Denn volle Leistung verlangte sie: Es gab keine Zeit zu verschenken.
Am zweiten Tag stieß einer ihrer Schüler namens Molov auf einen Saal, der relativ versteckt im entferntesten Winkel des Palasts lag. Hagea sah sich an Ort und Stelle persönlich um.
Sie fand eine Kuppel von fünfzig Metern Durchmesser vor, die den Namen Transmitterforum trug.
Zwar waren Transmitter auf Ferrol überall zu finden - doch in diesem Fall handelte es sich um besondere Exemplare. Etwa ein Dutzend von ihnen waren in Käfigform hergestellt.
Ein robotischer Führer näherte sich ihnen, ein Zylinder von einem halben Meter Höhe, der in Kopfhöhe im Raum schwebte. „Kann ich euch helfen?" fragte er auf Interkosmo. „Mein Name ist Forum A."
„Erkläre mir die Besonderheit des Forums", bat sie. „In diesem Saal findet ihr auf engstem Raum die Entwicklung der Transmittertechnik auf Ferrol dokumentiert. Zwölf der Maschinen stammen angeblich aus der Zeit, da ES den Ferronen die Transmitter zum Geschenk machte. Sie sind viele tausend Jahre alt."
„Funktionieren sie noch?"
„Selbstverständlich. Aber bis auf zwei Geräte sind alle energetisch konserviert. Ebenso die neueren Exemplare, die nur als Ausstellungsstücke dienen."
„Aus welchem Zeitalter stammen diese neueren Transmitter?"
„Meist aus den letzten dreitausend Jahren. Auf Ferrol wurden nie eigene Verbesserungen entwickelt.
Die Transmitter stammen von Akon oder Siga."
„Werden die Käfiggeräte auf Wunsch vorgeführt, Forum A?"
„Nein. Aber es gibt einen Zeitplan dafür. Er hängt draußen am Portal aus. Die nächste Vorführung findet in zwei Monaten statt."
Hagea sah sich eine Weile um, vermochte mit den technischen Details jedoch nichts anzufangen.
Also wandte sie sich mit ihrem Schüler wieder den Archiven zu. Jeder von ihnen trug ein Sprechgerät bei sich, das seine Beobachtungen aufnahm. In der Nacht hatte die Syntronik der DARMIR Zeit, alles auszuwerten, Überschneidungen auszufiltern und für Hagea eine Zusammenfassung zu erstellen.
Am vierten Tag des Aufenthalts fiel ihr ein Terraner auf. Überall im Roten Palast blieb er in der Nähe, wohin sie auch gingen. Es handelte sich um einen kräftigen, nicht allzu großen Mann mit kurzgeschorenem Rotschopf. Ebenso wie sie war er untersetzt, seine Bewegungen jedoch wirkten alles andere als gemütlich.
Zwei ihrer Schüler begleiteten Hagea. „Geht voraus", sagte sie. „Wartet nicht auf mich."
Beide schauten verständnislos, folgten aber ihrer Anweisung. Sie hatten den Terraner nicht bemerkt.
Es gab noch viel zu lernen für sie.
Hagea blieb zurück und wartete auf den Terraner. Der andere kam mit lauerndem Gang.
Er zeigte eine ausdruckslose Miene; vielleicht war ihm selbst nicht bewußt, wieviel Mißtrauen und Aggression in ihm steckten. „Du verfolgst mich", sagte sie freundlich. „Ich wüßte gern, aus welchem Grund."
Der Terraner blieb nahe bei ihr stehen. Neben ihm liefen in einer gläsernen Vitrine immer gleiche Szenen aus dem Landleben Ferrols ab. „Ich wußte, daß du mich bemerken würdest. Du bist Hagea Scoffy, nicht wahr? Mein Name ist Reginald Bull. Sagt dir das etwas?"
„Leider nein."
Hagea blieb stehen, als bemerke sie die drohende Nähe des Mannes nicht. Scheinbar unbefangen strich sie die strahlenförmige Frisur zurecht. Hätte sie anhand der unbewußten Zeichen nicht genau gesehen, daß keine echte Gefahr drohte, sie hätte sich mit einem Satz aus dem Staub gemacht. „Ich bin einer der alten Aktivatorträger", erklärte Reginald Bull. „Das ewige Leben, das ihr heute besitzt, wurde mir und meinen Freunden gestohlen. Seid nie zu sicher! Irgendwann holen wir es uns zurück."
„Ich trage keinen Aktivator. Und ich kann mir nicht vorstellen, daß du nur hergekommen bist, um mir zu drohen."
„Da hast du recht." Der Mann namens Bull zügelte seinen unterschwelligen Zorn ein wenig. „Als ich hörte, daß zwei Friedensstifter auf Ferrol gelandet sind, kam ich her, um das Schlimmste zu verhindern
Weitere Kostenlose Bücher